Pop auf weichstem Niveau. Die britische Band Keane mit ihrem Sänger Tom Chaplin im Vordergrund.

Foto: Universal Music

15 Jahre ist es her, dass Keane mit großem Wumms in die Welt kam. Zwar war der Einschlag der Hitsingle Somewhere Only We Know beträchtlich, die dafür verantwortliche Band schien darüber nachgerade planlos zu sein. Was haben wir nur angerichtet? Keane galten damals mit Bands wie Coldplay, Starsailor, Turin Brakes oder Travis zu den neuen Sensiblen von der Insel.

Eine Generation von Tagebuch schreibenden Jungmännern, die die Ära der Vulgärneureichen von Oasis und Co. ablösten. Das trug ihnen prompt einschlägige Feindseligkeiten ein: "Als ich gehört habe, dass jemand tot in Phil Spectors Haus gefunden wurde, dachte ich: Fuck! Hoffentlich ist es der Sänger von Starsailor." Sagte Noel Gallagher.

Der Einsatnd von Keane: Somewhere only we Know, 2004.
KeaneVEVO

Tom Chaplin hätte sich den Argwohn des Oasis-Gitarristen ebenfalls zuziehen können. Mit dem Babyspeck von Drillingen im Gesicht schmachtete er sich durch Unsicherheit gewordene Lieder. Hopes and Fears hieß das diese Gefühle kompilierende Debütalbum von Keane und hielt, was der Titel versprach. Oft nur mit Klavier und Bass instrumentiert, schüttelten die Band aus East Sussex Ohrwürmer des Zweifels nur so aus dem Handgelenk.

Älter, reifer, ergrauter

Das kann die Band heute noch. Sieben Jahre nach ihrem letzten Album ist nun Cause and Effect erschienen. Keane gehören längst zum Inventar des Insel-Pop. Und bald nach ihrem Erfolg haben sie ihre vermeintliche Unschuld verloren. Nach Sänger Tom Chaplin soll in der Betty-Ford-Klink mittlerweile ein eigener Trakt benannt sein. Gut, so schlimm ist es nicht, aber der liebe Bube mit dem vielen Fleisch im Antlitz reduzierte dieses mit der ungesündesten aller Diäten.

Volle Herzen, volle Hosen: Love Too Much.
KeaneVEVO

Heute, älter, reifer und stellenweise ergraut, wirken Keane immer noch wie sympathische Halbe-halbe-Männer, die fremden Damen ihre Designerlederjacke über die Pfütze legen würden, um deren Absätze vor dem Nass zu schützen. Und ihre Musik klingt immer noch nach vollen Herzen und vollen Hosen. Doch was vor 15 Jahren wie ein Ersehnen klang, tönt heute wie Melancholie. Etwa wenn sie Put The Radio On singen, in dem Chaplin Zeiten zu beschwört, die irgendwie ein bisserl vorbei sind.

Das Pathos tropft

Die meisten Songs trägt wie immer das Klavierspiel des Tim Rice-Oxley, dem die Hooklines so leicht von der Hand gehen wie sonst nur dem geistesverwandten Chris Martin von Coldplay. Ein bisschen Pathos tropft da natürlich schon aus den Tasten, Chaplins Timbre tremoliert an den richtigen Stellen, so tragen Keane bei einem Song wie Phases Schicht um Schicht auf.

KeaneVEVO

Selbst wenn einem die Musik von Keane nicht gefällt, muss man ihnen zugestehen, im Fach des tranigen Drei-Minuten-Popsongs zu den Großmeistern zu gehören. Zum Tran setzt es Trotz: I‘m Not Leaving singt Chaplin und reißt sich das Hemd auf und das darunter befindliche Herz gleich mit. Um dann zu winseln, dass er nicht weggeht. Nach Stalking klingt das bei ihm nicht. Eher nach Dackeltreue, und die wünschen wir uns ja alle einmal. (Karl Fluch, 2.10.2019)