Norbert Hofer (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) lieferten sich im Wahlkampf ein Match um dieselben Stimmen, das die ÖVP für sich entschieden hat.

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Die Spesenaffäre rund um Heinz-Christian Strache hat der FPÖ im Hinblick auf die Nationalratswahl mehr geschadet als das Ibiza-Video, in dem der ehemalige Parteichef ebenfalls eine tragende Rolle gespielt hatte. Das sagten Politikwissenschafter Fritz Plasser und Wahlforscher Franz Sommer am Dienstag bei der Präsentation ihrer Wahl-Analyse in Wien. Ein derartiger Effekt sei "ungewöhnlich".

Sommer sagte, man habe sich in der Annahme, die Spesenaffäre hätte so knapp vor der Wahl kaum noch einen Effekt auf das Wahlergebnis, "gehörig geirrt". "Ein "Effekt in dieser Intensität" sei "sehr ungewöhnlich", so Sommer. Die Spesenaffäre habe entweder dazu geführt, die FPÖ nicht mehr zu wählen oder dem Urnengang überhaupt fernzubleiben. Nur jeder sechste Abwanderer von der FPÖ begründete diese Entscheidung mit dem Ibiza-Skandal, sagt Plasser.

ÖVP profitierte

Die ÖVP habe offenbar in letzter Minute noch zahlreiche Wähler von der FPÖ abgezogen. Eine Parallele fiel Sommer, der auch für die ÖVP tätig ist, hier zur EU-Wahl auf. Das Ergebnis der europaweiten Wahl habe "in Konturen" schon das Ergebnis der Nationalratswahl vorgezeigt. Vor der EU-Wahl habe die Ankündigung eines Misstrauensantrags gegen den damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) großen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt, sagte Sommer. Und ebenso wie bei der Spesenaffäre sei auch damals die ÖVP "Nutznießer" gewesen.

Auch habe es einen Wählerstrom von der SPÖ zu den Grünen gegeben. Die Umfragen der SPÖ seien bis vor der EU-Wahl relativ stabil gewesen, mit der Ankündigung eines Misstrauensantrags gegen Kurz habe es laut Sommer einen "schlagartigen Rückgang von SPÖ-Präferenzen" gegeben. Davon habe sich die Sozialdemokratie nicht mehr erholt, vermutet der Wahlforscher. Denn nur für 39 Prozent der Wähler sei die Abwahl von Kurz "richtig gewesen", sagte Plasser.

Viele Wechselwähler

Plasser nannte mehrere Faktoren, die den Wahlausgang entscheidend geprägt hätten. Dazu zählen etwa die große Zufriedenheit vieler Wähler mit der Arbeit der türkis-blauen Regierung und "Sebastian Kurz als zentraler Akteur der Innenpolitik" Und: Obwohl das Thema Asyl im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt hätte, sei es für ÖVP-Wähler ein gewichtiger Grund gewesen, sich für die Volkspartei zu entscheiden, so Plasser. Asyl und Migration sei hinter Klimaschutz das zweitwichtigste Thema für die Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf gewesen.

Spannend ist für Plasser aber auch der hohe Anteil der Wechselwähler bei dieser Wahl. Mit 40 Prozent schätzt er den Anteil als "höchsten Wechselwähleranteil der österreichischen Wahlgeschichte" ein. Die österreichische Wählerschaft sei "mobil, hochgradig parteiunabhängig" und reagiere rasch auf aktuelle Entwicklungen, führte er aus. (APA, 1.10.2019)