Ein sofortiger Ausschluss ist es dann doch nicht geworden, lediglich eine Suspendierung haben die Leitungsgremien der FPÖ über ihren Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache verhängt. Das verkündete FPÖ-Bundesobmann Norbert Hofer Dienstagabend gegen 19 Uhr vor Journalisten. Man werde sehen, ob sich die Spesenvorwürfe gegen Strache "enthärten lassen", sagt Hofer. Sollten das im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen nicht geschehen, seien die Konsequenzen jedoch klar: In diesem Fall droht Strache ein Parteiausschluss. Derzeit weise aber noch nichts darauf hin, erklärt Hofer:"Es gibt keine toxischen Belege in der FPÖ."

Auftritt in der Weinbar

Neun Stunden vor Hofers Auftritt war Strache seiner drohenden Suspendierung mittels einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz zuvorgekommen. In einer Wiener Weinbar trat er, umgeben von gut gelagerten edlen Tropfen, vor jene Journalisten, die Strache im Ibiza-Video noch als "die größten Huren" bezeichnet hatte, und begrüßte sie mit einem "herzlichen Grüß Gott!" Nachsatz: "Sie haben mir gefehlt in den letzten Wochen und Monaten."

Heinz-Christian Strache hat am Dienstagvormittag eine persönliche Erklärung in einer Weinbar in der Wiener Innenstadt abgegeben und seine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt. Die Vorwürfe gegen ihn im Rahmen der Spesenaffäre seien falsch, sagte Strache und warnte vor Vorverurteilungen.
DER STANDARD

Zuerst hob Strache, der als Spitzenpolitiker gern fünfzig Minuten am Stück geredet hat, zu den "Verleumdungen" rund um die Spesenaffäre an, die die "üblichen Gegner" und "nicht bekannte Kräfte" just vor dem Urnengang am Sonntag gegen ihn und "die freiheitliche Familie" erhoben hätten: Hier werde er ausschließlich "mit den Ermittlungsbehörden" kooperieren und diese sicher nicht öffentlich aufarbeiten. Abermals entschuldige er sich für seine "Fehler", gemeint ist damit aber offenbar nur die Causa Ibiza.

Dann kam Strache überraschend schnell auf den Punkt: "Um "keine Spaltung" der Partei zuzulassen und "eine Zerreißprobe" zu verhindern, habe er sich "schweren Herzens" dazu entschlossen, seine Mitgliedschaft ruhend zu stellen. Einen solchen Passus sieht die FPÖ-Parteisatzung aber gar nicht vor. Es war also eher eine symbolische Geste: Nicht die Partei bestimme über seine Zukunft, sondern er nehme das Heft selbst in die Hand, so die Botschaft.

Was nicht gesagt wurde

Der Ex-FPÖ-Chef bedauerte, dass er darüber mit der neuen Parteispitze kein Gespräch habe führen können. Dennoch wünsche er alles Gute für die anstehende Vorstandssitzung am Nachmittag. "Der Misserfolg hat viele Väter", erklärt Strache nur zum desaströsen Abschneiden der FPÖ bei der Wahl. Kein Wort davon, dass die ersten blauen Landespolitiker zuvor schon seinen Ausschluss gefordert hatten, weil ihnen eine bloße Suspendierung nicht weit genug ging.

Über jene Gerüchte, dass gegen Strache womöglich weit gravierendere Indizien in der Spesenaffäre vorliegen könnten als bisher bekannt, verlor der Ex-Parteichef ebenso wenig ein Wort wie darüber, dass er selbst es gewesen sein könnte, der kurz vor der Nationalratswahl diverse Spesenfälle seiner Parteifreunde an die Medien weitergereicht haben soll – darunter etwa jene, die für den Bau des Gartenzauns rund um das Haus von seinem Nachfolger Norbert Hofer angefallen sind. Dafür kündigte er an, nicht nur der Partei, sondern auch der Politik den Rücken zukehren zu wollen. "Kein Amt, keine politische Funktion mehr" strebe er an. Nach gut zehn Minuten ging Strache ab – ohne irgendeine Frage zuzulassen.

In einem Hotel in der Wiener Josefstadt haben sich da schon längst die blauen Parteigranden zusammengefunden, um über das Wahlergebnis und den Fall Strache zu beraten. Gegen Mittag machten dann Gerüchte die Runde, wonach die FPÖ sich mit Strache auf eine Art Waffenruhe geeinigt habe: Er nehme von weiteren Anpatzungen gegen FPÖ-Funktionäre in Zukunft Abstand, dafür verschone man ihn mit der härtesten Sanktion – dem sofortigen Parteiausschluss. Und so kam es dann auch. So milde sich Strache am Vormittag gegeben hatte, so sanft drückt sich auch Hofer am Abend aus. Mit der Suspendierung wolle man lediglich Straches "Wunsch" nach Ruhestellung nachkommen, erklärt Hofer. Wie es mit Straches Ehefrau Philippa weitergeht, ließ er offen (siehe Artikel unten).

Kickl wird Klubobmann

Um die Partei aus der Spesenaffäre zu befreien, sollen mehrere Arbeitsgruppen an Reformen feilen, verkündet der Parteichef. So habe der Parteivorstand eine Modernisierungs-Arbeitsgruppe unter der Leitung des Welser Bürgermeisters Andreas Rabl und Salzburgs Landesparteichefin Marlene Svazek eingesetzt. Um in Rechnungsangelegenheiten transparenter zu werden, wurde eine "Compliance-Gruppe" unter Oberösterreich-Chef Manfred Haimbuchner gegründet. Der will dort mit "schwergewichtigen Personen aus der Wirtschaft" seiner Partei neue Reglen verpassen. Wer diese Personen sind, erfuhr man am Dienstag nicht. Nur so viel: Es seien Unternehmer, die Haimbuchner persönlich kenne und die der FPÖ wohlgesonnen seien.

Auch zu seiner eigenen Zukunft und der von Herbert Kickl nahm Hofer Stellung: Der Parteichef will – so wie schon zwischen 2013 und 2017 – Dritter Nationalratspräsident werden, Kickl soll wieder den Vorsitz im Nationalratsklub übernehmen.

Nach langer Sitzung verkündet die FPÖ-Spitze, ihren früheren Parteichef Heinz-Christian Strache vorerst nicht auszuschließen, sondern nur zu suspendieren. Am Vormittag war Strache vorgeprescht – um seinen "völligen Rückzug" zu verkünden. (Maria Sterkl, Nina Weißensteiner, 1.10.2019)