Eric Pleskow ist am Dienstag verstorben.

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Wien – Das Drehbuch für die Eröffnung der Viennale, des Wiener internationalen Filmfestivals, sah viele Jahre lang so aus: Der Kulturstadtrat sprach offizielle Worte. Der Viennale-Direktor Hans Hurch hielt eine Brandrede, auch "Predigt" genannt. Und dazwischen trat der Viennale-Präsident auf, um die aktuelle politische Lage im Land treffsicher und hintersinnig zu kommentieren: Ein "echtes Highlight an Schärfe, Witz und Knappheit", notierte DER STANDARD dazu anno 2003.

Seit 1998 hatte Eric Pleskow dieses Ehrenamt inne. Dass er der entsprechenden Einladung gefolgt war, war ein Entgegenkommen seinerseits und ein äußeres Zeichen dafür, dass er zu guter Letzt in seiner Heimatstadt eine "neue Generation" am Werk sah und für sich selbst hier wieder einen Platz: Am 24. April 1924 war Pleskow als Erich Pleskoff in Wien zur Welt gekommen, er wuchs in der Brigittenau und am Alsergrund auf, bis sich seine jüdische Familie 1939 gezwungen sah, das Land zu verlassen.

Als Cutter angelernt

Im Herbst desselben Jahres gelangten Erich und seine Eltern per Schiff nach New York. Dort geriet der Teenager per Zufall mit jenem Medium in Berührung, das für seine berufliche Zukunft entscheidend sein sollte: Der Dokumentarfilmproduzent Herbert Edwards lernte ihn als Cutter an, parallel besuchte Pleskow die Abendschule. Mit neunzehn wurde er zur US-Army eingezogen, dort setzte man ihn im Signal Corps ein, wo Informationsfilme hergestellt werden.

Im März 1945 kam Eric Pleskow zurück nach Europa – als knapp 21-jähriger Filmoffizier, der in München für die Bavaria-Studios zuständig war und auch über Entnazifizierungen entschied, seine Villa wurde vorübergehend eine wichtige Anlaufstelle für Filmschaffende und Künstler.

1952 schickte ihn sein neuer Arbeitgeber United Artists als Verleihchef nach Südafrika. Dort gelangen ihm nicht nur wirtschaftliche Erfolge, er lernte auch seine spätere Frau Barbara Black kennen. 1954 heirateten die beiden an Pleskows nächstem Einsatzort Frankfurt, während der Jahre, in denen er zum Europachef von UA avancierte und für viele (nicht zuletzt europäische) Regisseure zu einem wichtigen Partner wurde, kommen auch die beiden Kinder Michelle und Anthony zur Welt.

Rocky bis Stadtneurotiker

1962 übersiedelten die Pleskows nach New York zurück. Elf Jahre später stand der einst aus Österreich Vertriebene als Präsident an der Spitze der Firma. Aber er brannte immer noch fürs Kino und seine Kreativen, las nachts Drehbücher und engagierte selbst den aus der Tschechoslowakei ebenfalls emigrierten Regisseur Milos Forman für eine Romanverfilmung: Einer flog übers Kuckucksnest erhielt 1976 nicht weniger als fünf Oscars und wurde auch an den Kinokassen ein Erfolg. Pleskow, der Mann mit dem Gespür fürs geschäftliche Potential von Außenseiterprojekten unterschiedlicher Provenienz konnte den "besten Film" mit Sylvester Stallones Rocky ebenso holen wie mit Woody Allens Stadtneurotiker.

Ermöglicher im Dienst der Viennale

Martin Scorseses Raging Bull produzierte dann bereits Pleskows eigene Firma Orion Pictures – denn das Filmgeschäft hatte sich inzwischen gewandelt, aber der Produzent alten Schlages will kein Unterhaltungskonzernmanager sein. Trotz wirtschaftlich schwieriger werdender Bedingungen ließen sich mit Milos Formans Amadeus, mit Oliver Stones Kriegsdrama Platoon oder noch 1991 mit Das Schweigen der Lämmer von Jonathan Demme beachtliche Erfolge erzielen. Aber ein Jahr später war die Firma insolvent und Pleskow zog sich nicht ganz freiwillig vom Filmgeschäft zurück. Dafür stellte er sich als "Ermöglicher" in den Dienst der Viennale und nahm in den Nullerjahren in Förderkommissionen auch Anteil am österreichischen Filmschaffen.

Interessiert an der "human condition"

14 Oscars hat Eric Pleskow eingeheimst. In einem Interview mit der Zeit sagte er: "Mich hat immer the human condition interessiert. Der Mensch und die Verhältnisse, in denen er lebt und gegen die er manchmal ankämpfen muss. Mich interessieren nicht diese Hollywood-Helden, die über sich selbst hinauswachsen, sondern ihre Krisen und Kämpfe, auch mit sich selbst." 2008 hat die Autorin Andrea Ernst Pleskows Lebenserinnerungen aufgezeichnet. Und kein geringerer als Billy Wilder setzte ihm bereits 1961 ein filmisches Denkmal in One, Two, Three: als von James Cagney verkörperter, legendär hyperaktiver Niederlassungschef eines traditionsreichen amerikanischen Limonadenherstellers im geteilten Berlin. Nun ist der Unermüdliche im Alter von 95 Jahren in den USA gestorben. (Isabella Reicher, 1.10.2019)