Schaurig: Die abgestreifte Haut als schlaffes Silikonmodell.

Foto: Bernd Borchardt

Spießiges Wartezimmer-Mobiliar, Spiegel, die abgestreifte Haut als schlaffes Silikonmodell, das mittels Endoskop bis in die düstersten Winkel untersuchtes Elternhaus: Auch wer keine Therapiestunde bei Clemens Krauss gebucht hat, erhält im Kunstraum Innsbruck ausreichend Hinweise darauf, dass es hier um das Verhältnis zwischen Kunst und Psychoanalyse geht.

Die Symbole sind unschwer zu entschlüsseln. Komplizierter wird es da schon bei der Frage, wer sich hier eigentlich auf die Couch legt. Oder wer den größeren Erkenntnisgewinn daraus zieht, wenn der nach Medizin- und Kunststudium auch zum Psychoanalytiker ausgebildete Krauss seine Dienste – wie jetzt in Innsbruck oder zuletzt auf der Havanna Biennale – dann auch im Ausstellungskontext anbietet.

Inspirationsquell für den Künstlertherapeuten

Die psychoanalytischen Sitzungen sind kostenlos, anonym und unterliegen der Schweigepflicht. Die Erfahrungen, die er dabei mache, sagt Krauss, 1981 in Graz geboren und seit vielen Jahren in Berlin lebend, lasse er in seine künstlerischen Arbeiten einfließen. Wie es sich auf die Patienten auswirkt, wenn sie zum Inspirationsquell für den Künstlertherapeuten werden, darüber lässt sich nur spekulieren. Das Setting, das Krauss gebaut hat, simuliert jedenfalls die Idee von Erfahrungs- und Erwartungsräumen.

Vorzimmer lautet der Titel der Schau, man wird durch eine Abfolge von Vorzimmern geschickt, die mit erwähnten Möbeln und künstlerischen Arbeiten ausgestattet sind. Darunter Videos, in denen Krauss die eigene Biografie mit sozialen und politischen Fragen verknüpft und das von ihm selbst als Jugendlicher aufgenommene Filmmaterial mit fiktiven Erzählungen neu auflädt.

Auf die Leinwand türmt Clemens Krauss gern schwere Farbgebirge: Sie können sich als in leere Räume gesprenkelte Menschen entpuppen. Oder – reichlich bedeutungsschwanger – als schlafende Hunde, die es sich vielleicht zu wecken lohnt. (Ivona Jelčić, 1.10.19)