Die Klimakrise löst bei Jugendlichen Zukunftsangst aus – gemeinsames Handeln hilft gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins.

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist nicht unbedingt für sein maßloses Übertreiben bekannt, doch selbst er hat unlängst im Rahmen einer Diskussion über die Klimakrise vor dem Ende der Menschheit gewarnt. Auch Wissenschafter selbst machen durch drastischere Begriffe auf ihre Reports aufmerksam. Das erzeugt Bilder im Kopf von vielen Jugendlichen.

Wenn sich dann auch noch die Extremwetterereignisse häufen, wenn Berichte über aussterbende Tierarten fast täglich über den Fernseher flimmern, bekommen Jugendliche Angst. "Eine so fundamentale Bedrohung globalen Ausmaßes aktiviert Überlebensinstinkte und produziert Stress", sagt Psychologin Romi Sedlacek. Der Einfluss der Klimakrise auf die Psyche ist zwar auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar, aber ernst zu nehmen.

Angst vor der Zukunft

Forschungen über den Zusammenhang zwischen der Klimakrise und der Psyche beschäftigten sich bisher vor allem mit den psychischen Folgen für Opfer extremer Wetterereignisse, die sich in Form von posttraumatischen Belastungsstörungen äußern können, etwa dann, wenn durch Naturkatastrophen Hab und Gut vernichtet werden oder Verwandte und Freunde umkommen.

Doch die Klimakrise wirkt sich auf viele auch als indirekte Belastung aus. Viele Jugendliche haben Angst vor der Zukunft. Unsicherheit über zukünftige Klimaentwicklungen kann zu einer Quelle von Stress werden.

Sorgen, Zorn, Hilflosigkeit oder Schuldgefühle manifestieren sich nicht selten als Angststörungen oder Depressionen. "Die weltweite Berichterstattung bringt selbst weit entfernte Naturkatastrophen in unsere Wohnzimmer. Dass sich Bedrohungen inzwischen häufen, wird dann von vielen psychisch oft als Ausweglosigkeit erlebt", sagt Sedlacek. In ihre Praxis kämen zwar meist Menschen mit persönlichen Problemen, doch sie hört immer öfter, dass sich Leute Sorgen um die Klimaentwicklung machen.

Große Hilflosigkeit

Martha (27) zum Beispiel schlitterte in eine Depression. "Ich habe Studien gelesen, wie schlimm es um das Klima steht, und habe mir gedacht: Diese Katastrophe ist sowieso nicht mehr aufzuhalten, es ist hoffnungslos." Ihr persönlicher Alltag war stark beeinträchtigt, sie musste ihr Studium unterbrechen.

Mittlerweile gibt es sogar neue medizinische Begriffe für die Angst um das Klima. "Climate Grief" (Klimatrauer) nennen Experten diese belastenden Emotionen. Der Begriff schließt auch die Trauer mit ein, die Menschen bei umweltbezogenen Verlusten empfinden, etwa wenn Tierarten aussterben oder Gletscher schmelzen.

Mit "Sostalgie" wiederum wird das schmerzliche Gefühl bezeichnet, das auftritt, wenn geliebte Orte oder der unmittelbare Lebensraum zerstört werden oder verschwinden, etwa der Gletscher in Grönland oder das Versinken von Inseln im Pazifik. "Die Zusammenhänge sind oft komplex und hängen eng mit der individuellen Lebenssituation zusammen", sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, die Klimakrise sei jedenfalls ein neuer Stressfaktor im Alltag. Besonders hart treffe er jene, die ohnehin schon stark belastet sind.

Prätraumatisches Ereignis

Stress äußert sich als Reaktion auch dann, wenn jemand das Gefühl hat, auf eine Situation nicht reagieren und sie nicht verändern zu können. "Eco-Anxiety" (Umweltangst) ist der Fachbegriff dafür. In einem 2017 von der American Psychological Association zum Thema veröffentlichten Report wird sogar von prätraumatischen Belastungsstörungen gesprochen. Anders als die posttraumatische Version tritt sie auf, bevor ein einschneidendes Erlebnis eintritt. Allein die Vorstellung zukünftiger Schäden verstört.

Auch die Psychologin Katharina van Bronswijk beobachtet, dass psychische Probleme durch die Klimakrise zunehmen. "Je nachdem, wie stabil oder instabil man ist oder wie man mit Belastungen generell umgeht, können Sorgen um das Klima und die Umwelt auch zu psychischen Störungen führen." Sie vertritt die Initiative Psychologists for Future, eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Informationen zur therapeutischen und individuellen Bewältigung der Klimakrise zu sammeln und zu verbreiten. "Psychotherapie kann helfen, eigene Bewältigungsmuster zu entwickeln, um einen Umgang mit Gefühlen und belastenden Gedanken zu finden", so van Bronswijk. Gerade viele junge Menschen hätten oft wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Psychologists for Future wollten daher besonders Aktivistinnen der Fridays-for-Future-Bewegung unterstützen.

Umgang mit Ängsten

Angst löst in Menschen zwei Arten von Reaktionen aus: Resignation oder Aktion. Aktionsorientiertheit sei positiv für die Psyche, so van Bronswijk, sie trägt zur individuellen Bewältigung der Krise bei. Selbstwirksamkeit nennen Experten diesen Mechanismus. Da die Klimakrise aber nicht mit einzelnen und individuellen Handlungen bewältigt werden kann, sei die Erfahrung kollektiven Handelns entscheidend, denn verstärken lässt sich der Selbstwirksamkeitseffekt vor allem durch den Austausch mit Gleichgesinnten. "Viele Aktive schildern, dass es ihnen gut tut, mit anderen gemeinsam aktiv zu sein und sich über Gefühle auszutauschen", so die Psychologin.

Verdrängungsmechanismen spielen in der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel eine wichtige Rolle: Obwohl die Verdrängung erst einmal ein gesunder Mechanismus sei, der davor bewahrt, von Emotionen überwältigt zu werden, könne dauerhafte Verdrängung Probleme verursachen. "Der erste Schritt wäre daher eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema, nicht nur auf der rationalen, sondern auch auf emotionaler Ebene. Es wäre wichtig, Gefühle zuzulassen", so van Bronswijk. Das könne auch auf kollektiver Ebene helfen, Verdrängung aufzuheben. Das wiederum stimuliert klimabewusstes Handeln.

Aktivistinnen und Aktivisten betreuen

Die globale Umweltbewegung Extinction Rebellion hat den Stellenwert von Emotionen im Kampf gegen den Klimawandel ebenfalls erkannt. Sie beschäftigt sich mit "regenerativer Kultur", die sie in Achtsamkeitsworkshops und psychischer Sorgearbeit anbietet – vor allem die vielen negativen Gefühle bei Protesten werden thematisiert.

Im Idealfall wirken individuelles Handeln und gemeinsamer Aktivismus zusammen. Greta Thunberg ist das beste Beispiel dafür, wie man Angst und Trauer in Handlungsenergie umsetzen kann. (Pia Gärtner, 27.10.2019)