Kulturminister Alexander Schallenberg nennt Absage von Eike Schmidt (Foto) "unprofessionell und beispiellos".

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Der Termin für die Antrittspressekonferenz des neuen Generaldirektors im Kunsthistorischen Museum (KHM) wurde intern erst vor wenigen Tagen mit 11. November fixiert, aber noch nicht offiziell kommuniziert. Mit gutem Grund: Den Beginn der Karnevalsaison wird Eike Schmidt nun nicht in Wien zelebrieren. Exakt einen Monat vor Dienstantritt entschied er sich Dienstagnachmittag doch für eine Absage und informierte Kulturminister Alexander Schallenberg telefonisch über seinen Verbleib in Florenz, wie über die "Presse" bekannt wurde. Sabine Haag bleibt interimistisch Generaldirektorin.

Kulturminister Schallenberg bezeichnet Schmidts Vorgehensweise als "höchst unprofessionell" und "beispiellos".
ORF

Porca miseria, mag sich manch einer im KHM und im Kulturministerium gedacht haben. In seiner Funktion als Minister formuliert der Berufsdiplomat Schallenberg das Vorgehen Schmidts deutlich als "unprofessionell und beispiellos". Kein Wunder, denn es gab in den vergangenen Monaten zahlreiche Telefonate, da italienische Medienberichte laufend die Gerüchteküche befeuerten.

Offene Florenz-Präferenz

"Mein Traum ist es, an den Uffizien zu bleiben", betitelte "La Stampa" ein Interview im November vergangenen Jahres. In Wien habe er "ein Auswahlverfahren gewonnen, aber auch wenn ich diese Arbeit annehmen müsste", würde er sein Heim in Florenz nicht aufgeben. "Ziehen Sie Ihren Schluss, ob ich lieber in Florenz bleiben möchte oder nicht."

Auf zugehörige STANDARD-Anfragen erklärte der 51-Jährige damals, es handle sich um "aus zweiter Hand zusammengeklaubte und ausgeschmückte" Artikel oder er wäre "falsch zitiert worden". Zuletzt verwies er Berichte des "Corriere Fiorentino" von Mitte August und auch der "Times" Anfang September ins Reich der Spekulationen, die er dementierte oder nicht kommentieren wollte: Die Rede war von einem Angebot des italienischen Kulturministeriums für eine Verlängerung und seine Bereitschaft, die Berufung nach Wien überdenken zu wollen.

Trügerische Sicherheit

So halbherzig die Dementis auf Medienanfragen wirken mochten, so überzeugend gab er sich auch in den vergangenen Wochen in Gesprächen mit dem Kulturministerium. Dort wog man sich vor allem aufgrund des bereits unterzeichneten Vertrages in trügerischer Sicherheit.

Doch dieser war sein Papier nicht wert, wie man nun weiß. Über die offiziellen Gründe für die Absage kann man derzeit nur mutmaßen. Eike Schmidt war für den STANDARD nicht erreichbar.

Dass der Regierungswechsel in Italien eine Rolle spielt, bezweifelt indes niemand. Denn mit dem Sozialdemokraten Dario Franceschini kam jüngst wieder jener Kulturminister ins Amt, der einst jene Internationalisierung betrieb, im Rahmen derer Nicht-Italiener wie Eike Schmidt 2015 an die Spitze italienischer Museen berufen worden waren. Als 2018 Alberto Bonisole auf einem Ticket der Fünf-Sterne-Bewegung das Kulturministerium übernahm, erfolgte eine mit "Prima l'Italia" verknüpfte Kehrtwende. Das ist nun wieder Geschichte.

Roms Kulturministerium nicht informiert

Das italienische Kulturministerium habe laut eigenen Angaben aus den Medien vom Verzicht Schmidts auf den KHM-Posten erfahren, erklärte Mattia Morandi, der Pressesprecher von Italiens Kulturminister Franceschini, im Gespräch mit der APA. "Wir hoffen, dass es nicht zu diplomatischen Problemen mit Österreich kommt", meinte Morandi. Gerüchte über einen möglichen Verbleib Schmidts als Uffizien-Direktor könne er nicht kommentieren.

Morandi schloss nicht aus, dass es in den vergangenen Tagen zu Kontakten zwischen dem Kulturministerium und Schmidt gekommen sei. Vermutet wird in Italien, dass Schmidt auf den KHM-Chefsessel verzichtet habe, weil er vom italienischen Kulturminister Franceschini einen neuen vierjährigen Vertrag als Uffizien-Direktor erhalten habe.

Uffizien-Sprecher Andrea Acampa konnte die Berichte über Schmidts Verzicht auf die Führung des KHM ebenfalls nicht bestätigen. Der 51-jährige Schmidt sei derzeit in Wien, wo er sich an der Tagung des Verbands österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker beteiligt.

"Kapitel geschlossen"

"Das Kapitel Eike Schmidt ist damit abgeschlossen", betont jedenfalls Schallenberg, eine Neuausschreibung erfolge zeitnah. Laut "Presse" soll am Freitag ein Treffen zwischen den beiden stattfinden, in dem auch der mit der kurzfristigen Absage verbundene "beträchtliche finanzielle Schaden" Thema sein soll. Was Thomas Drozda (SPÖ), der Schmidt noch in seiner Ära als Kulturminister im Herbst 2017 überraschend als Nachfolger von Sabine Haag aus dem Hut zauberte, davon hält? "Für einen Vertragsbruch dieser Art habe ich kein Verständnis", es sei "letztklassig und charakterlos, ein Haus wie das KHM hängen zu lassen", sagt er.

In der internationalen Museumsszene ist man sich übrigens einig, dass sich Schmidt mit dieser Absage für künftige Engagements außerhalb Italiens unwiderruflich aus dem Spiel genommen hat. Ein schwacher Trost für jene, denen er hierzulande im Wort stand. (Olga Kronsteiner, 1.10.2019)