Christian Kern beim Bundesparteitag der SPÖ in Wels im November 2018.

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So sieht sie also aus, die Erneuerung der SPÖ: In der Schaltzentrale der Partei sitzt künftig jener Mann, der als Wahlkampfmanager die Schlappe vom Sonntag mitzuverantworten hat. Zwar war die pannenlose Kampagne nicht der Hauptgrund für das Scheitern, doch für Aufbruch steht Christian Deutsch als Bundesgeschäftsführer wohl kaum. Eher im Gegenteil: Der Wiener stammt aus dem Kreis um Altkanzler Werner Faymann, in dessen letzten Jahren die Partei unter bleierner Decke dahindämmerte.

Vor diesem Hintergrund wirkt es plötzlich stimmig, dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ihre Niederlage justament mit einem kuriosen Satz quittierte, der an den einstigen Slogan der Faymann-Verteidiger erinnert: "Die Richtung stimmt."

Die Personalauswahl zeugt von Hilflosigkeit. Anders als ihr Konkurrent Sebastian Kurz hat die vor zwei Jahren quer in die Politik eingestiegene Rendi-Wagner kein sorgsam geknüpftes Netzwerk, aus dem sie Personal ihres Vertrauens schöpfen kann. Obendrein stellt sich in miesen Zeiten kaum ein Kapazunder um einen Job wie diesen an, das ist momentan auch die politische Lebensversicherung der Obfrau selbst. Mögliche Niederlagen bei kommenden Landtagswahlen wird Rendi-Wagner erklären dürfen. Nachfolger drängt sich keiner auf.

Angesichts dieser Umstände ist es zu eindimensional, die Schuld allein auf die Frontfrau zu schieben. Dass Rendi-Wagner keine gute Figur macht, hat viel mit dem Erbe ihres Vorgängers zu tun.

Es wird langen Atem brauchen

Es war Christian Kern, der die SPÖ vor einem Jahr überhaps im Stich gelassen hat. Der chaotische Abgang hat die Sozialdemokraten erst in die Not gebracht, eine unroutinierte, schlecht vorbereitete und rhetorisch nicht ausgereifte Kurzzeitministerin in die erste Reihe zu schieben. Ob die fachlich versierte Ärztin vom Typus die Richtige ist, sei dahingestellt – eine faire Chance, in das Amt hineinzuwachsen, hatte sie jedenfalls nie. Die SPÖ hat sie verheizt.

Das gilt umso mehr, als Kern bei seiner Flucht viel der nach der lähmenden Faymann-Zeit geleisteten Aufbauarbeit zerstört hat. Oftmals hat dieser den Genossen seinen Stolz auf die Partei versichert, die eben keine windige Bewegung sei. Zehn Jahre wolle er die roten Geschicke führen, sagte der Heilsbringer – und ließ sich dann vom ersten Gegenwind bereitwillig wegblasen. Kein Wunder, wenn da Sympathisanten, die Kern erfolgreich motiviert hatte, sämtliches Vertrauen in die SPÖ verloren.

Wie stünden heute die Grünen da, wenn Werner Kogler nach dem Rauswurf aus dem Parlament so rasch eingeknickt wäre? Natürlich war beim Comeback eine Portion Glück dabei, Regierungscrash und Klimahype fielen den Grünen in den Schoß. Doch um ein politisches Zeitfenster abzuwarten, braucht es ein Mindestmaß an Durchhaltevermögen. Kern aber war die Oppositionsbank rasch zu hart.

Es ist nicht gesagt, dass Kern den Sieg der ÖVP gefährdet hätte. Doch mit einem weniger umstrittenen Anführer, einem ausgefeilteren Profil, einer eingespielten Maschinerie hätte die SPÖ zumindest jene kritische Größe erreichen können, die respektvolle Koalitionsverhandlungen ermöglicht.

So aber erwies sich jener Mann, der Eigenschaften eines Hoffnungsträgers mitbrachte, als Wegbereiter eines Niedergangs, der allmählich existenzbedrohende Formen annimmt. Für einen echten Neustart wird Nachfolgerin Rendi-Wagner einen langen Atem brauchen, wie Kern ihn nie hatte. (Gerald John, 2.10.2019)