Man kann jemandem auf die Nüsse gehen, eine hohle Nuss sein oder eine Kopfnuss bekommen. Ersteres lässt sich zurückführen auf die Rolle der Walnuss als Fruchtbarkeitssymbol und die Ähnlichkeit der Früchte mit den Hoden des männlichen Geschlechts.

Die hohle Nuss ist nahezu selbsterklärend, denn wo nichts drin ist, kann auch nichts rauskommen. Das Geheimnis hinter dem Ausdruck Kopfnuss ist durch die Ähnlichkeit der Walnuss mit dem menschlichen Gehirn, die Härte der Schale und dem Schmerz, den eine veritable Kopfnuss vom Baum herab verursacht, auch schnell geknackt.

Nicht so selbsterklärend ist, wieso in einem Land wie Österreich so gut wie keine Walnüsse aus Österreich im Lebensmitteleinzelhandel zu finden sind. Wo doch die klimatischen Bedingungen hier nahezu ideal sind für die Juglans regia, wie die echte Walnuss in Botanikerkreisen genannt wird. Im heimischen Supermarkt wird man vor allem Chile und Kalifornien auf dem Etikett finden und "gerieben in Österreich". Zerkleinert wurden Letztere also im Land, gewachsen sind sie deshalb trotzdem nicht hier.

Auf großen Plantagen werden die Walnüsse unreif geerntet. Ihre helle Farbe kommt im Handel gut an, ist aber kein Qualitätskriterium.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Gokcemim

Keine Plantagen in Österreich

Nicole Berkmann, Leiterin Konzernale PR und Information bei Spar, hat für weitgereiste Walnüsse im heimischen Regal folgende Erklärung: "Es gibt bei uns keine Walnussplantagen. Das ist genau so wie mit den Pfirsichen, die wachsen theoretisch auch bei uns, aber es gibt keine großen Anbieter. Die großen Produktionen sind nun einmal außerhalb von Österreich, daher sind die Walnüsse fast durchgängig aus dem Ausland."

Für das Steinobst habe man einen Partner im Burgenland gefunden, um in Zukunft Pfirsiche aus Österreich anzubieten. Auch von Paul Pöttschacher, Pressesprecher der Rewe International AG, gibt es ein "Kein Bauer baut in Österreich Walnüsse so an, dass es im größeren Stil für den Handel ausreichend wäre. Die meisten Nüsse stammen aus den USA und Chile."

Im Vorjahr wurden im Rahmen einer Adventaktion österreichische Walnüsse angeboten. Geplant ist diese auch heuer wieder. Viele Konsumenten kommen gleich gar nicht auf die Idee, dass die Walnüsse im Supermarkt nicht aus Österreich stammen könnten. Kennt doch jeder mindestens einen Garten oder Wegrand, an dem ein Nussbaum prächtig wächst und gedeiht.

Auf Eichhörnchens Spuren

Der Wunsch, auch heimische Walnüsse im Handel zu finden, hat Julia Taubinger 2016 schlussendlich dazu veranlasst, ihren Job als Architektin im Designbereich an den Nagel zu hängen. Heute ist sie hauptberuflich Nussknackerin und hat zusätzlich 600 Nussbäume gepflanzt. Ihr Mann Marcus Schindelegger, eigentlich gelernter Maschinenschlosser, hat da gleich mitgemacht und wurde zum Herrn Nussknacker.

Dass er sich gut mit Maschinen auskennt, war trotzdem ganz förderlich, als die beiden die größte Nussknackanlage Mitteleuropas in Dollbach im Mostviertel aufstellten. Und auch Taubingers Architekturkenntnisse nutzten. "Wir wollten ja nicht nur die Landschaft verstellen", heißt es von der Mittvierzigerin, die nun hauptberuflich fragt: "Haben Sie Nüsse?" Denn oberste Mission im "Nussland", so der Firmenname, ist es, das Potenzial, das in Österreich auf dem Boden liegt, wieder auf den Tisch zu bringen.

Julia Taubinger und Marcus Schindelegger knacken mit der modernsten Nussknackanlage Mitteleuropas im Mostviertel österreichische Nüsse von 2.500 Sammlern und Landwirten. Im Vorjahr waren das 150 Tonnen.
Foto: nussland.at, cleanhillstudios

Unterbewusst hat sich dieser Wunsch schon als Kind in Taubinger manifestiert: "Als ich meinen Vater, der von Beruf Müller war, im Sommer zu den Bäckern begleitet habe, haben sich diese immer über die ranzigen Nüsse von anderen Lieferanten beschwert. Daran erinnere ich mich heute noch oft."

Ein Problem, das man, wenn man bei Nussland einkauft, nicht hat. Hier wird auf Bestellung geknackt. Schließlich ist die Schale immer noch die beste Aufbewahrungsart für Walnüsse. Das macht das ganze Unterfangen für die hauptberuflichen Nussknacker insofern aufwendiger, als dass eine ganze Nuss mehr Platz braucht als geschälte oder gar geriebene.

Doch der ganze Aufwand um die österreichische Walnuss steht dafür, sind Taubinger und Schindelegger überzeugt. Man muss nur einmal den Unterschied schmecken. Ganz abgesehen "vom Sammeln für die Zukunft", so Taubinger zu ihrer Firmenphilosophie. Denn bald sollen auch österreichische Nüsse im Handel erhältlich sein und dieser Konsumenten somit die Wahl zwischen Walnuss-Herkünften lassen.

Obwohl bei uns in vielen Gärten zu finden, ist die heimische Walnuss im Handel meist nur auf Märkten zu finden.
Foto: nussland.at, cleanhillstudios

Fleißige Sammler

Und weil der Handel eben nicht im kleinen Maßstab einkauft, steht am Nussland-Hof auch eine Anlage mit einer Knackkapazität von 300 Tonnen im Jahr. Im Vorjahr waren es immerhin 150 Tonnen österreichischer Nüsse, die die beiden Quereinsteiger geknackt und an Bäcker verkauft sowie in kleinen Spezialgeschäften umgesetzt haben. Gebracht haben die Nüsse um die 2500 fleißige Sammler, hauptsächlich Landwirte oder Pensionisten mit Walnussbäumen auf dem Grundstück, die zu viel Ertrag für den Eigenbedarf und zu wenig für den Verkauf bringen.

Abgeben kann man die Nüsse beim Nussland-Firmensitz in Dollbach sowie bei sechs weiteren Sammelstellen vom Mostviertel bis ins Mühlviertel. Als Gegenleistung für die Nuss aus eigenem Garten oder Land gibt es geschälte Nüsse oder einen Kilopreis zwischen 1,20 und 2,50 Euro, netto. Je nach Qualität.

Im Handel, so Taubinger, stünden sie mit ihrer Ware in direkter Konkurrenz mit Importware aus Kalifornien und Chile. Das sind die Momente, in denen sie ihre Arbeit als Architektin vermisst. "Im Point of Sale, wenn es darum geht, die Nüsse zu verkaufen, bist du im Lebensmittelhandel, und das ist dann schon so eine Ellbogengeschichte."

Überhaupt, wenn jeder die hellen Walnüsse haben möchte, wobei das kein Qualitätskriterium ist. Taubinger: "Diese Übersee-Nüsse stammen von Riesenplantagen. Die fallen nicht runter, wenn der Baum sagt, so, jetzt bin ich fertig, sondern dann, wenn die Rüttelmaschine kommt. Die grüne Schale wird radikal runtergeschrubbt. Dafür sind sie dann wunderschön hell." An solch falschen Parametern gemessen zu werden, sei frustrierend.

Und weil der Landwirt oder die Oma ihre drei Bäume im Garten eben auch nicht biozertifiziert, ist die Ware konventionell. Obwohl dem Nussfreund laut Taubinger bei Geschmack und Ölgehalt nichts Besseres passieren kann als so eine "Hausgartennuss". Zertifiziert oder nicht.

Oberste Mission im "Nussland", so der Firmenname, ist es, das Potenzial, das in Österreich auf dem Boden liegt, wieder auf den Tisch zu bringen.
Foto: nussland.at, cleanhillstudios

Taubinger und Schindelegger sind zuversichtlich, gerade angesichts der Entwicklungen in der Klimadiskussion und dem vermehrten Wunsch nach Transparenz in puncto Herkunft der Produkte. Ihr "Wünsch dir was": "In fünf Jahren gibt es die österreichische Nuss im Handel, und unsere Schulden sind zurückbezahlt", lacht Taubinger. "Aber wirklich: Es macht schon Sinn, was wir hier tun." Knackpunkt sei es, nicht von den vorhandenen Bäumen in Österreich auf die Herkunft der Ware im Supermarkt zu schließen.

Nuss-Studien

Eine Landesgrenze weiter, in der Schweiz, führte die gleiche Unwissenheit punkto Walnuss für den Landschaftsarchitekten Jonas Frei zu einem Coffee-Table-Sachbuch zum Thema. "In einer Parkanlage bin ich zufällig über diese spezielle Nussart gestolpert" – wie sich im Nachhinein herausstellte: die Butternuss -, "keiner konnte sie bestimmen, und ich habe mich immer tiefer in die Recherche in Fachliteratur aus Anbaugebieten, vorwiegend Nordamerika und China, gegraben."

Entstanden ist daraus Die Walnuss, erschienen im AT-Verlag. Frei beschreibt darin detailreich jede der Walnussarten – von der Echten Walnuss bis zur Hickory (ja, auch eine Walnussart).

"Es ist energetisch ein Wahnsinn, dass die Walnüsse um die halbe Welt fliegen, obwohl wir sie genauso gut hier produzieren könnten", so Frei. Denn in der Schweiz ist die Situation nicht anders als in Österreich. Die Nüsse kommen von Übersee. Wenn man Glück hat, so Frei, noch aus Grenoble.

Denn in Frankreich befinden sich die einzigen größeren Walnussplantagen Europas. Hier ist die Nuss mit der Herkunftsbezeichnung "Noix de Grenoble AOC" geschützt. Wer sich als Nussfeinschmecker bezeichnet, dem sagt diese geschützte Bezeichnung vielleicht etwas. Doch dass es innerhalb der Familie der Echten Walnuss auch Spezialsorten gibt, die sogar für Walnussallergiker geeignet sind, oder die Donaunuss als Spezialität mit blutrotem Kern, das wissen die wenigsten.

Ein kleiner Schwenk zurück ins Mostviertel: Im Nussland bei Taubingers werden die Donaunüsse ob ihrer Farbe für die Bäcker sogar aussortiert. Taubinger: "Die Kunden denken sonst, der Bäcker hätte sich bei der Herstellung in den Finger geschnitten."

Am Nussland-Hof steht eine Anlage mit einer Knackkapazität von 300 Tonnen im Jahr.
Foto: nussland.at, cleanhillstudios

Unwissenheit macht der Walnuss also zu schaffen. Mehr noch: Sie scheint fest mit ihr verwurzelt. Schließlich ist bis heute ungeklärt, wie die Walnuss nach Europa kam, obwohl sie vor den Eiszeiten einheimisch war.

Durch die Abkühlung des Klimas starb sie aus und kam als Mitbringsel von Vögeln (oder Menschen?) von Zentralasien wieder nach Mitteleuropa. Fest steht, dass sich in der jüngeren Geschichte Karl der Große und Maria Theresia um die Walnuss verdient gemacht haben. Karl der Große empfahl den Anbau der Nuss, und die Kaiserin schenkte angeblich zu jeder Geburt ein Walnussbäumchen.

Inwieweit die Walnuss auch ernährungstechnisch wertvoll ist, erklärt Margot Fischer in der Sammelbuchreihe "Kleine Gourmandisen" des Mandelbaum-Verlags in der frisch erschienen Ausgabe Walnuss. Omega 3, Kohlehydrate, Eiweiß, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – all das passt in eine Walnuss. Und wirkt antioxidativ, entzündungshemmend und stimmungsaufhellend.

Außerdem hält der Baum wegen seiner Bitterstoffausdünstungen Fliegen fern, und die Blätter schützten bei langen Wegstrecken vor dem "Wolf" zwischen den Beinen. Dass, wie die Legende erzählt, der Teufel (das ist der Fruchtbarkeitssymbolik der Nuss geschuldet) wirklich unter jedem Blatt wilde Orgien mit Hexen feiert, ist nicht belegt. Den Wert der Walnuss beweist der alte Ausspruch "Von einem Haselstrauch kann man keine Walnüsse ernten." Aber vielleicht kann man dafür bald österreichische Ware im heimischen Handel finden. (Nina Wessely , RONDO, 21.10.2019)