Dürfen wir uns an den Besuch interstellarer Besucher gewöhnen? Erst Ende August entdeckten Forscher zum zweiten Mal binnen zwei Jahren ein astronomisches Objekt, das von außerhalb des Sonnensystems stammt. Es ist nur auf der Durchreise, denn es wird von der Gravitation der Sonne lediglich abgelenkt und wird Berechnungen zufolge das Sonnensystem in Richtung Sternbild Teleskop wieder verlassen.

Der Komet 2I/Borisov auf einer Bildkombination mit Daten des Gemini-Observatoriums auf Hawaii.
Foto: Travis Rector/Gemini Observatory/NSF/AURA

Der Fund des 2I/Borisov oder C/2019 Q4 (Borisov) genannten Kometen ist ein wissenschaftlicher Glücksfall: Anders als das 2017 entdeckte Objekt Oumuamua, das sozusagen erst bei der Abreise erspäht wurde, ist 2I/Borisov nicht schon wieder auf dem Weg in den interstellaren Raum. Seinen sonnennächsten Punkt wird der Komet am 8. Dezember erreichen und unser Gestirn im Abstand von zwei Astronomischen Einheiten (AE) passieren. Eine AE entspricht etwa dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne. Beobachtbar könnte der Komet bis Herbst 2020 sein.

Dicyan-Signatur

Das ermöglicht Forschern, den interstellaren Gast genauer unter die Lupe zu nehmen. Je näher ein Komet der Sonne kommt, desto aktiver wird er. Angeregt durch die Sonnenstrahlung kommt es zu Ausstößen von Gasen und Staub, die Rückschlüsse auf Eigenschaften und Beschaffenheit dieser urtümlichen Himmelskörpers erlauben. Nun hat erstmals ein interstellarer Besucher chemische Informationen preisgegeben.

Ein internationales Forscherteam konnten mithilfe des William-Herschel-Teleskops auf der kanarischen Insel La Palma Gas um das Objekt detektieren. Wie sie in der auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlichten Studie berichten, konnten sie die Signatur von Dicyan um 2I/Borisov nachweisen. Das Ergebnis ist keine Sensation: Dicyan, auch als Cyan bezeichnet, ist eine toxische gasförmige Verbindung, die auch bei Kometen aus dem Sonnensystem häufig zu finden ist. Interessant ist diese Erkenntnis aber allemal.

Ungewöhnlich gewöhnlich

Die erste Charakterisierung deute darauf hin, dass der interstellare Komet recht gewöhnlich sein könnte, sagte Erstautor Alan Fitzsimmons von der Universität Belfast zur "New York Times". "Insgesamt scheinen die Gas- und Staubeigenschaften ähnlich wie bei normalen Kometen des Sonnensystems zu sein."

Die uns bekannten Kometen bestehen aus Gestein, Eis und Staub sowie gefrorenen Gasen und stammen aus der Frühphase unseres Sonnensystems. Sie bildeten sich in den äußeren, kalten Bereichen, größtenteils jenseits der Neptunbahn, und verfügen über weitgehend unbeeinflusstes Material aus ihrer Entstehungsphase. Aus welchem System 2I/Borisov stammt beziehungsweise wann und durch welches Ereignis er es verlassen hat, ist unklar.

Für Oumuamua, das 2017 entdeckte erste interstellare Objekt, dessen Klassifizierung mehrfach zwischen Asteroid und Komet wechselte, gibt es zumindest eine Vermutung: Seine an eine Zigarre erinnernde Form lässt auf eine Kollision schließen, die Oumuamua in den interstellaren Raum katapultiert haben dürfte. (David Rennert, 5.10.2019)