Frühzeitige Therapie verringert das Risiko für Gewaltausbrüche infolge mangelhafter Impulskontrolle.

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Menschen mit psychischen Erkrankungen sind laut wissenschaftlichen Studien häufiger Opfer von Gewalt. Auf der anderen Seite kann – zum Beispiel bei Vorliegen einer Schizophrenie – auch zeitweise eine erhöhte Gewaltbereitschaft auftreten.

"Das Risiko, eine leichte Körperverletzung zu begehen, ist in der Gruppe Schizophrenie-Kranker gegenüber der Allgemeinbevölkerung um ein Zweifaches erhöht, das Risiko für schwere Körperverletzungen um ein Vierfaches – und das Risiko für ein Tötungsdelikt um ein Achtfaches", sagt die Linzer Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner.

Aus solchen Statistiken eine besondere Gefährdung abzuleiten, sei aber falsch. "Mit einer Erkrankungshäufigkeit von einem Prozent ist das Risiko, Opfer eines psychotisch motivierten Gewalttäters zu werden, deutlich geringer als das Risiko, Opfer eines psychisch gesunden Täters zu werden", so die Expertin. Deshalb habe die generelle Mahnung vor der von Schizophrenie-Kranken ausgehenden Gefährlichkeit wenig alltagspraktische Relevanz. "Immer wieder dient sie dazu, die Stigmatisierung psychisch Kranker allgemein argumentativ zu untermauern", sagt Kastner.

Gut behandelbar

Was hilft, sind frühzeitige Diagnose und optimale Therapie. Beides verringert sowohl das Risiko für Gewaltausbrüche infolge mangelhafter Impulskontrolle und auftretender Wahnvorstellungen. "Schizophrenie ist heute zumeist gut behandelbar, wenn auch noch allzu häufig nicht heilbar", erläutert Christoph Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charite-Universitätsklinik in Berlin.

Die Behandlung setze sich im Idealfall aus einer individuell abgestimmten Kombination von medikamentöser Behandlung, Psychotherapie und anderen therapeutischen Verfahren wie Ergotherapie, Soziotherapie etc. zusammen. Als Medikamente kommen Antipsychotika zum Einsatz, die die Botenstoffe in bestimmten Gehirnregionen so beeinflussen, dass vor allem die psychotischen Positiv-Symptome (z.B. Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Zerfahrenheit der Gedanken) gehemmt werden.

Rückfälle verhindern

"Der Therapieerfolg ist maßgeblich von der Dauer der unbehandelten Psychose abhängig. Je schneller nach Auftreten der ersten psychotischen Phase mit einer geeigneten Therapie begonnen wird, desto besser wirkt sich dies auf den weiteren Verlauf aus", so Correll. Es gelte, Rückfälle in psychotische Phasen unbedingt zu verhindern – denn das Gehirn lerne nicht nur Fertigkeiten, etwa "Ski zu fahren", sondern es "erlerne" auch Psychosen: Je mehr Rückfälle der Patient erleide, desto schneller entwickle er eine weitere psychotische Episode und desto schwerer komme er wieder heraus.

"Rückfälle produzieren mehr Symptome – und die Symptome produzieren wiederum mehr Rückfälle. Diese verschlechtern auch das Ansprechen auf die medikamentöse Therapie enorm. Und es steigt das Risiko für eine sekundären Therapieresistenz als auch für eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten", erklärte Correll. (APA/red, 3.10.2019)