Ein Südkaper-Weibchen mit ihrem Kalb vor der Küste Argentiniens.
Foto: Fredrik Christiansen

Wale halten so manchen Weltrekord, insbesondere ein Vertreter dieser Meeressäuger steht dabei gänzlich außer Konkurrenz: Der Blauwal ist mit einer Körpermasse von bis zu 200 Tonnen das schwerste bekannte Tier der Erdgeschichte. Meeresbiologen interessieren sich freilich nicht nur für solche Spitzenwerte, sondern vor allem dafür, wie sich die Körpermasse von Walen im Lauf des Lebens verändert. Daraus lassen sich etwa Informationen über Gesundheit, Energieverbrauch oder den Einfluss ökologischer Stressfaktoren gewinnen. Nur: Wie wiegt man einen Wal?

Bisher beruhen Angaben dazu entweder auf Schätzungen, Untersuchungen von Tieren in Gefangenschaft oder dem Wiegen gestrandeter Walkadaver. Das schränkt den Datensatz deutlich ein, denn verlässliche Informationen über die Körpermasse freilebender Wale gibt es kaum. "Das führte in der Vergangenheit zu allen möglichen wissenschaftlichen Unsicherheiten in der Walforschung", sagte Fredrik Christiansen vom Aarhus Institute of Advanced Studies. Der Wissenschafter ist Erstautor einer neuen Studie im Fachblatt "Methods in Ecology and Evolution", in der ein neuer Lösungsansatz vorgestellt wird.

Das kristallklare Wasser vor der Halbinsel Valdés ermöglichte detaillierte Aufnahmen.
Foto: Fredrik Christiansen

Luftaufnahmen im klaren Wasser

Christiansen und Kollegen entwickelten ein Modell, das anhand der Körpermaße von Walen präzise ihr Gewicht bestimmen kann. Wie die Forscher zeigen, lassen sich die Maße dank neuester Drohnentechnologien vergleichsweise einfach gewinnen. Sie testeten ihren Ansatz bei Südkapern, einer Walart aus der Gruppe der Bartenwale.

Dafür machten die Wissenschafter zunächst Luftaufnahmen von 86 Wal-Individuen vor der Küste Argentiniens. Das klare Wasser und die große Zahl an Walen, die sich hier jeden Winter zur Fortpflanzung versammeln, ermöglichten nach Angaben der Wissenschafter qualitative Aufnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven und Winkeln, um die genauen Körpermaße der Tiere zu eruieren.

Ein junger Südkaper taucht auf.
Foto: Fredrik Christiansen

Südkaper in 3-D

Kollegen der University of Massachusetts at Amherst fertigten daraus ein detailgetreues 3-D-Modell der Südkaper an, mit dem sich auch Körperbewegungen simulieren lassen. "Wir nutzten dieses Modell zunächst, um das Körpervolumen von Walen zu schätzen, die in Gefangenschaft leben und deren Umfang und Körpermasse bereits bekannt waren. Daraus konnten wir dann die Dichte berechnen, die wir wiederum für die Bestimmung der Masse der freilebenden Wale nutzen konnten, die wir zuvor fotografiert hatten", so Christiansen.

Südkaper sind hellbraun bis schwarz und haben häufig weiße Flecken. Gelegentlich gibt es auch weiße Kälber.
Foto: Fredrik Christiansen

Das Ergebnis sei beeindruckend präzise, so der Biologe. "Die Schwierigkeit, die Körpermasse von Walen in freier Wildbahn zuverlässig zu bestimmen, ist in vielen Studien zu Ökologie, Physiologie und Bioenergetik ein Problem. Dieser neuartige Ansatz könnte ermöglichen, diese zentrale Variable endlich besser berücksichtigen zu können."

Im nächsten Schritt wollen die Forscher das Modell auch für andere Walarten adaptieren. Die größte offene Herausforderung sei noch, dass sich bei vielen Arten die Proportionen des Muskel- und Fettgewebes und damit auch die Dichte saisonal verändern. Das Modell müsse also noch durch zusätzliche Daten verfeinert und an die jeweiligen artspezifischen Eigenheiten angepasst werden. (dare, 7.10.2019)