Opernromantik in Puppenform bringt ein stimmungsvoller, zeitloser "Faust".

Foto: Herwig Prammer

In der Kammeroper lässt man zu Saisonbeginn die Puppen tanzen: Nikolaus Habjan inszeniert Charles Gounods Faust. Und so setzt der preisgekrönte Puppenmacher in der finalen Walpurgisnacht denn auch ein fantastisch-bizarres Ballett der greisen Säuglinge in Szene – einer der optischen Höhepunkte der stimmungsvollen, zeitlosen Inszenierung, die ab dem vierten Akt zu klerikaler Bilderstärke findet (Ausstattung: Jakob Brossmann und Denise Heschl).

Puppen- und Opernromantik

Zuvor war man lange unschlüssig, ob die Puppenwelten einen künstlerischen Mehrwert für die romantische Oper darstellten. Oft verursachten sie nur ein hohes Verkehrsaufkommen auf der kleinen Bühne, wurden die Puppen der drei Protagonisten doch zumeist vom jeweiligen Sänger sowie einem Puppenspieler geführt. Schade, dass bei Méphistophélès die schillerndste Puppenfigur (und die einzige menschengroße) auf die stumpfeste Stimme traf, die von Dumitru Mădărășan.

Quentin Desgeorges bot als Faust zwar überdruckvolle Spitzentöne, trotzdem wünschte man dem Franzosen weniger ein jugendlicheres Bühnenleben als eine bessere Gesangstechnik. Der Souverän bei den Männern: Kristján Jóhannesson als edel-starker Valentin.

Ein herausragendes Gretchen

Bei den Frauen boten Marthe (Juliette Mars) und Siebel (Ghazal Kazemi) solide Gesangskunst, für das Herausragende war Jenna Siladie zuständig: Als Marguerite transportierte sie mit ihrem weichen, frei fließenden Sopran Unschuld und Reinheit, erfüllte aber auch die dramatischen Höhepunkte mit Kraft und Glut.

Giancarlo Rizzi setzte mit dem wackeren Wiener Kammerorchester Leonard Eröds stimmungsvolle Orchesterfassung der Oper leidenschaftlich um, erstklassig (und vielleicht zukunftsweisend?) der achtköpfige Chor. Premierenjubel. (Stefan Ender, 2.10.19)