Grafik: DER STANDARD

Parken über die Bezirksgrenzen hinweg und das bestehende Kurzparkzonenmodell (siehe Grafik) überdenken: Im Sommer ist die Debatte um das kostengünstige Abstellen von Autos in Wien wieder einmal aufgeflammt. Im Gespräch mit dem STANDARD hatte Ernst Nevrivy (SPÖ), Bezirksvorsteher in der Donaustadt, ein in der ganzen Stadt gültiges Parkpickerl für Wiener angeregt. Mehrere Bezirksvorsteher erhoben daraufhin ähnliche Forderungen. Sogar Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ließ sich zu der Aussage hinreißen, dass eine bezirksübergreifende Lösung interessant wäre. Damit könnten zum Beispiel Verbindungen zwischen Wohn- und Schulstandort geschaffen werden, um Kinder abzuholen, so Ludwig.

Die für Verkehr zuständige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) kündigte einen Gipfel im Herbst an, um all die Vorschläge zu diskutieren. Am Donnerstag findet das Treffen statt – unter dem etwas sperrigen Titel "Gespräch zu zukünftigem Verkehrs- inklusive Parkraumkonzept für Wien". Eingeladen sind Vertreter aller Parteien, aus den Bezirken, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer. Die Grünen sind bekanntlich für die Reduzierung des Autoverkehrs im Stadtgebiet. Auch ganz offiziell hat sich die Stadt dazu bekannt. Laut Smart-City-Rahmenstrategie soll bis 2030 der CO2-Ausstoß pro Person um die Hälfte reduziert werden, bis 2050 um 100 Prozent.

Ein bezirksübergreifendes Parkpickerl steht zur Debatte.
Foto: urban

Beim ersten Gespräch gehe es darum, den Prozess aus Sicht der Stadt Wien aufzusetzen und weitere Schritte zu planen, heißt es aus dem Büro der Verkehrsstadträtin. Das Ziel des Treffens sei es, unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen. "Idealerweise finden sich Gemeinsamkeiten in der Problemanalyse, auf die wir im Weiteren aufbauen können, um gemeinsame Lösungen und Perspektiven zu finden." Im Fokus stehe, dass im Bereich Mobilität ein Beitrag zum Klimaschutz zu leisten sei und eine "Anpassung an die Erhitzung des Stadtklimas" erfolgen müsse.

Die Diskussion geht also über das Parkpickerl hinaus. Großes Augenmerk liegt auf den rund 200.000 Pendlern, die täglich nach Wien kommen. Ihnen sollen Alternativen zum Auto schmackhaft gemacht werden.

Mautgebühr für Wien

Womit eine City-Maut ins Spiel kommt, die von den Grünen befürwortet, von der SPÖ abgelehnt wird. Im Vorfeld des Gipfels wird diese alles andere als ausgeschlossen: "Ja, die City-Maut ist eine mögliche Lösung", heißt es aus dem Büro Hebein. Alternative, klimafreundliche Lösungsvorschläge seien aber willkommen. "Am Ende stehen die Ziele Klimaschutz und Klimaanpassung. Wenn diese ohne City-Maut erreicht werden können, ist das zu begrüßen."

Grafik: DER STANDARD

In der Wirtschaftskammer Wien zeigt man sich froh über den Vorstoß der Stadt, "das Thema Parkpickerl neu zu überdenken". Alexander Biach, als Standortanwalt der Kammer mit größeren Infrastrukturprojekten befasst, fordert eine Modernisierung des Verkehrssystems. Dazu gehören der Öffi-Ausbau über die Bundesländergrenzen hinweg, mehr Park-and-ride-Anlagen und eine Verdichtung der S-Bahn-Intervalle.

Ein Vertreter Niederösterreichs ist nicht zum aktuellen Treffen eingeladen, bei einem weiteren Termin wäre eine Teilnahme laut dem Büro von Hebein aber denkbar. Dann würde Niederösterreich sich dafür starkmachen, dass Wien sich wieder am Ausbau der Park-and-ride-Plätze beteiligt, wie es in der Vergangenheit schon der Fall war. Neben Investitionen in die bestehende S-Bahn-Strecke wünscht sich das Land auch, dass Wien in eine neue Stammstrecke investiert und keine City-Maut einführt, wie es dazu aus dem Büro des Verkehrslandesrats Ludwig Schleritzko (ÖVP) heißt. (Gudrun Springer, Rosa Winkler-Hermaden, 3.10.2019)

Auf acht Wegen zu weniger Autos in der Stadt

1. Kosten fürs Parken

Man sieht den Unterschied, sobald eine neue blaue Zone gilt: Plötzlich tun sich in den dann zeitlich begrenzten und gegen Gebühr nutzbaren Parkflächen Lücken auf. Dabei ist das Parken auf öffentlichen Flächen in Wien international gesehen relativ günstig: In London kostet es für Benzin- und Dieselfahrzeuge 5,90 Euro pro Stunde. In Amsterdams City zahlt man bis zu 7,50 Euro, in Paris vier. 19 von 23 Wiener Bezirke betreiben großflächig Kurzparkzonen. 2,20 Euro kostet darin ab Jänner eine Stunde. Wer im Bezirk wohnt, kann ein Parkpickerl um 90 bis 120 Euro im Jahr erwerben, es berechtigt auch zur Nutzung von Anrainerparkplätzen. (spri)

2. Park-and-ride-Plätze

Das Ziel von Park-and-ride-Anlagen ist es, dass Menschen möglichst wohnortnahe vom motorisierten Fahrzeug in den Zug umsteigen. Mit diesem Argument sieht man sich in Wien nur begrenzt dafür zuständig, mehr Park-and-ride-Anlagen zur Verfügung zu stellen, obwohl diese sehr gut besucht bis überbucht sind – zum Beispiel existiert eine Warteliste fürs Dauerparken in der Anlage in Spittelau. Insgesamt kommt Wien auf rund 9800 Plätze. Diese bekommen Öffi-Nutzer bei Vorweisen bestimmter Tickets günstiger, in Niederösterreich sind sie gratis. Dort baut man massiv aus: Zurzeit gibt es 39.000 Pkw-Stellplätze, bis 2025 sollen es 50.000 sein. (spri)

3. Tempo 30

Vor einem halben Jahr ist die Debatte um ein flächendeckendes Tempo 30 auf Wiens Straßen aufgekommen. Ein Bub war von einem Lkw überfahren worden. Nicht nur die Forderung nach einem Abbiegeassistenten wurde erhoben, das Kuratorium für Verkehrssicherheit schlug die Tempodrosselung auf 30 Kilometer pro Stunde im gesamten Stadtgebiet vor. Es sorgt laut Experten nicht nur für mehr Sicherheit, weniger Schadstoffe und eine bessere Verkehrsflüssigkeit, auch könnten die Straßen schmäler gebaut werden, was mehr Platz für Fußgänger bringt. Die Stadt lehnte die flächendeckende Einführung jedoch ab, weil in bereits 80 Prozent der Wiener Straßen ein solches Limit gelte. (rwh)

4. Carsharing und Co

Die Stadt Wien versucht, innerstädtischen Verkehr durch Anreize für einen Umstieg auf Sharing-Angebote zu verringern. Die These, dass Carsharing zu einer Reduktion von Autofahrten führt, ist nicht unumstritten: So warnte die Arbeiterkammer kürzlich davor, dass es in der Stadt mehr Autofahrten bringe, laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ist das Gegenteil der Fall. Mietbare Citybikes warten an mehr als 120 Stationen, Leihräder ohne fixe Abstellplätze gibt es nach der Einführung strengerer Regeln für Anbieter nun keine mehr. Dass die rund 9000 mietbaren E-Scooter überall abgestellt werden, will die Stadt noch im Herbst ändern. (spri)

Der Ausbau des Wiener U-Bahn-Netzes führt unter anderem zu einer Großbaustelle bei der Station Pilgramgasse.
Foto: Heribert CORN

5. Öffi-Ausbau

Im internationalen Vergleich schneidet Wien gut ab: 38 Prozent nutzen Bim, Bus, S-Bahn und U-Bahn. In Berlin sind es 27 Prozent, in Kopenhagen nur 18 Prozent. Jedoch profitieren nicht alle Wiener vom guten Öffi-System. In den Randbezirken gibt es Aufholbedarf. Eine im Sommer veröffentlichte Studie der Arbeiterkammer zeigt, dass 300.000 Wiener keine optimale Versorgung mit kurzen Intervallen, kurzen Wegen zur Haltestelle oder schnellen Linien haben. Für den Ausbau der Öffis in den Außenbezirken sei eine Milliarde Euro vorzusehen. Das ergebe 37 Straßenbahnkilometer, acht neue Busverbindungen und eine Stadtregionalbahn. (rwh)

6. Radwegenetz

Das Wiener Radwegenetz wächst: Rund 1.400 Kilometer ist es lang, im Jahr 2000 waren es noch 835. Nicht nur das Vorhandensein von Radwegen oder -streifen zählt. Wichtig ist, wie sicher sie sind. Der Anteil der Wiener, die mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind, stagniert. Konkret auch der Anteil der Wege, die mit dem Rad zurückgelegt werden: Seit 2014 sind es rund sieben Prozent. 1,7 Millionen Fahrten werden laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) geradelt – mit Luft nach oben: Mehr als sechs Millionen tägliche Alltagswege sind kürzer als zweieinhalb Kilometer, rund elf Millionen kürzer als fünf Kilometer, also potenziell radelbar. Und E-Bikes eröffnen weitere Optionen. (spri)

7. Platz für Fußgänger

Ein Prozent der Wiener Verkehrsflächen sind Fußgängerzonen, ein Drittel Verkehrsinseln und Gehsteige. Kürzlich sind neue, zeitlich begrenzte Fußgängerzonen dazugekommen: Schulstraßen, in denen für Kraftfahrzeuge an Werktagen ein 30-minütiges Fahrverbot vor Schulbeginn gilt. Aktuell existieren vier solcher Schulstraßen in Wien, drei erst sei Schulbeginn. Zu Fuß gehen wird laut "Wien zu Fuß"-Report immer beliebter: Gaben 2013 noch 59 Prozent der Befragten an, gern zu Fuß zu gehen, waren es 2017 bereits 88 Prozent (aktuellere Zahlen gibt es noch nicht). "Man merkt einen Wandel, zu Fuß gehen wird mehr akzeptiert", zeigt sich Fußgängerbeauftragte Petra Jens überzeugt.

In der Mariahilfer Straße gibt es eine der Wiener Fußgängerzonen.
Foto: Matthias Cremer

8. City-Maut

Berlin diskutiert darüber, New York führt sie 2021 als erste US-Metropole für Teile Manhattans ein, Stockholm, Oslo, Mailand und London verlangen sie längst: eine Maut für in die Innenstadt fahrende Pkws.In Wien wären die Grünen dafür, nach Maria Vassilakou auch ihre Nachfolgerin, Vizebürgermeisterin Birgit Hebein. London steckt die Einnahmen der "Congestion Charge" in Höhe von je rund zwölf Pfund ins Nahverkehrssystem. Die Radfahrerzahlen sind in London zusätzlich im Aufwärtstrend. Das Ziel: Bis zum Jahr 2040 sollen vier von fünf Wegstrecken in London zu Fuß, radelnd oder mit Öffis zurückgelegt werden. (spri)

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