Ob sich die Verträge auch so einfach schreddern lassen?

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Mittwochabend bekannte Eike Schmidt bei einer Pressekonferenz in Florenz nun öffentlich, worüber italienische Medien seit Monaten "spekulierten", wie er es zu nennen pflegte: "Ich will meine Arbeit in den Uffizien fortsetzen, mein Herz ist in Florenz", weshalb er für eine zweite Amtszeit als Direktor der Uffizien kandidieren werde. Noch am Vormittag verlautete aus dem Ministerium in Italien, man habe aus den Medien von Schmidts Absage, den Dienst als Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums (KHM) am 1. November anzutreten, erfahren.

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Stunden später erklärte Italiens Kulturminister, eine Bewerbung für die Uffizien erhalten zu haben und forderte zeitgleich, dass der Deutsche Klarheit im Hinblick auf etwaige Probleme "für Österreich oder die Regierung" schaffen müsse. Der Wankelmut des 51-jährigen Deutschen wurde damit endgültig zu einem Politikum.

Vertragsbruch mit Folgen

In Österreich ist man nun um eine professionelle Abhandlung der Causa bemüht. Sabine Haag, seit Anfang 2009 als Generaldirektorin in Amt, wird ihre Tätigkeit ein weiteres Mal interimistisch verlängern, wie Minister Alexander Schallenberg bestätigte. Sie war Anfang Jänner "eingesprungen", da Schmidt seinen bis 31. Oktober laufenden Uffizien-Vertrag offiziell nicht vorzeitig beenden wollte. Inoffiziell soll er dem Ministerium in Aussicht gestellt haben, schon im Sommer nach Wien zu übersiedeln. Dem Vernehmen nach hatte man den 1. November vertraglich als spätestes Antrittsdatum vereinbart. Geschichte.

Vergangene Woche informierte er das KHM-Direktorium und Haag über seine Entscheidung auf eine Berufung an das KHM "zu verzichten". Die Absage wird wohl trotzdem nicht ohne Folgen bleiben. "Culpa in contrahendo" lautet der juristische Fachbegriff: Ein Schaden, der im Vertrauen auf das vertragskonforme Verhalten des anderen entsteht. Ernst Ploil, Rechtsanwalt und Kunstsammler, der Verträge mit Museumsdirektoren kennt, diagnostiziert "einen krassen und schadenersatzpflichtigen Vertragsbruch". Dabei gehe es nicht nur um allfällig angefallene Reisespesen, sondern um alle Aufwendungen, die mit Schmidts Bestellung verknüpft waren und nun, etwa durch die Neuausschreibug, anfallen.

Das Ministerium prüft rechtliche Schritte. Sie täten not, schon um das Risiko solcher Possen künftig zu minimieren. Toleranz ist das eine – sich in der internationalen Museumswelt zum nachsichtigen Kasperl zu degradieren etwas völlig anderes.

In die Kritik gerät nun auch Thomas Drozda (SPÖ), der die vermaledeite Bestellung als einstiger Kulturminister zu verantworten hat. Dazu gibt es unterschiedliche Erzählweisen. Die eine besagt, Drozda habe sich mit Personalentscheidungen bewusst von seinem Vorgänger Josef Ostermayer absetzen wollen. Die andere, dass die Bestellung schon drei Monate vor der Ausschreibung paktiert worden wäre: als Drozda und Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder zur Eröffnung einer Maria-Lassnig-Ausstellung im März 2017 in den Uffizien in Florenz weilten. Rückwirkend betrachtet könnte KHM-Direktorin Sabine Haag von Drozda nur der Form halber zu einer Bewerbung um eine weitere Amtszeit motiviert worden sein. Von seiner Wahl erfuhr sie aus den Medien während ihres Urlaubs.

Leere Versprechen

Die Findungskommission, zu der neben Sektionschef Jürgen Meindl Marion Ackermann (Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlung Dresden) oder Chris Dercon (damals Volksbühne Berlin) gehörten, entschied sich einstimmig für Eike Schmidt: Seine Ankündigung, jährlich zumindest 500.000 Besucher mehr zu begeistern und neue Sponsoren zu locken, überzeugte. Glaubwürdigkeit und Vertragstreue des Kandidaten standen nie zur Debatte.

Ob sich der Affront Eike Schmidts auch indirekt auf die Uffizien auswirkt, ist noch nicht absehbar. Dass ein solches Vorgehen in der internationalen Museumsszene verpönt ist, sei erwähnt. Jene Fraktion, die ihn hinter vorgehaltener Hand seit Jahren als "Blender" zu bezeichnen pflegte, fühlt sich bestätigt. Andere geben sich wortkarg.

Noch am Tag der Verlautbarung im September 2017 lobte Klaus-Albrecht Schröder den "Kollegen" über den grünen Klee. Er schätze "seine unglaubliche Dynamik" und "seine Professionalität und Handschlagsqualität". Die Uffizien bezeichnete er "bei aller Wertschätzung" als "toskanische Nationalgalerie", wenngleich "auf allerhöchstem Niveau". Auf aktuelle STANDARD-Anfrage ließ er jetzt ausrichten, sich zu dieser Causa nicht äußern zu wollen. (Olga Kronsteiner, 2.10.19)