Das Europäische Parlament befasst sich des Öfteren mit Menschenrechtsverletzungen im Iran. Aber zuletzt wurde das auch zu einer internen Angelegenheit. Immer mehr Bürger und Bürgerinnen aus EU-Ländern, die aufgrund ihrer Abstammung auch einen iranischen Pass besitzen, sitzen in iranischen Gefängnissen. Das Parlament erwähnte sie im September in einer Resolution, in der es die EU-Mitgliedsstaaten zum Handeln auffordert.

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Das berühmt-berüchtigte Evin-Gefängnis im Norden Teherans. Dort sitzen auch immer mehr EU-iranische Doppelstaatsbürger.
Foto: Ulrich Baumgarten via Getty iMAGES

Darüber, wie viele EU-iranische Doppelstaatsbürger genau in iranischer Haft sind, gibt es keine genaue Auskunft: Gerade in den ersten Monaten nach der Verhaftung gehen die Angehörigen, auch auf Empfehlung ihrer jeweiligen Außenministerien, oft nicht damit an die Öffentlichkeit. Die Hoffnung ist stets, dass sich die Angelegenheit mit entsprechendem Druck auf Teheran lösen lässt.

Das gilt auch für den Österreicher Massud Mossaheb, Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft, der im Jänner verhaftet wurde. Der Fall wurde erst im Juli öffentlich gemacht.

"Spionagetätigkeiten für feindliche Staaten"

Schon länger bekannt ist jener von Kamran Ghaderi, Geschäftsführer eines österreichischen IT-Unternehmens, der im Jänner 2016 verhaftet und später wegen "Spionagetätigkeiten für feindliche Staaten" zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Das ist die übliche Anklage, mit einer großen Spannbreite von Urteilen bis hin zur Todesstrafe, die auch Mossaheb wiederholt angedroht wurde.

In seiner Resolution nennt das EU-Parlament sechs Namen: Nazanin Zaghari-Ratcliffe (Großbritannien), Ahmadreza Djalali (Schweden), Kamal Ahmedi (Großbritannien), Morad Tahbaz (Großbritannien) und die beiden Österreicher. Dass die Liste nicht komplett ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die im Sommer verhaftete französisch-iranische Ethnologin Fariba Abdelkhah nicht darauf steht.

Geschäftsleute und Wissenschafter, die sich in ihrer Arbeit mit dem Iran befassen, scheinen besonders gefährdet zu sein. Letzteres gilt auch für Akademiker ohne iranischen Hintergrund. Zu nennen wäre da etwa die britisch-australische Nahostwissenschafterin Kylie Moore-Gilbert, die ebenfalls im Sommer verhaftet wurde. Oder der Fall des US-Doktoranden Xiyue Wang.

Doppelstaatsbürgerschaften erkennt der Iran gar nicht an: Für die Justiz sind die Verhafteten iranische Bürger, zumal sie oft für ihre Iran-Reisen ihren iranischen Pass benützen. Der Handlungsspielraum der Behörden der EU-Staaten ist demnach eingeschränkt. Österreichs Außenministerium bemüht sich hinter den Kulissen: Wie das EU-Parlament aber für die von ihm erwähnten Fälle festhält, gibt es keinerlei Bewegung.

Familien sollen stillhalten

Dass Behörden und Institutionen ihnen oft zu verstehen geben, dass die Mobilisierung einer Medienöffentlichkeit nicht gern gesehen wird, belastet die Familien der Verhafteten zusätzlich. Die Wirtschaftskammer (WKO) lädt am Donnerstag zudem zum "Forum Iran", bei dem österreichische mit iranischen Firmen zusammengebracht werden sollen.

Eine Anfrage der Familie Massud Mossahebs an die WKO und deren Präsident Harald Mahrer zu dieser Veranstaltung – die die Verhaftungen von zwei in Geschäften mit Teheran engagierten Österreichern ausblendet – wurde am Mittwochabend von Mahrer beantwortet. Man sei sich in der WKO der Problematik bewusst und spreche die Fälle bei allen Kontakten an, setze aber weiter auf Dialog und Kooperation mit dem Iran. Der Familie wurde auch, genauso wie dem STANDARD auf dessen Anfrage, beschieden, dass die Zuständigkeit beim Außenministerium liege.

Die Familie Mossahebs, der 72 Jahre alt ist und an multiplen Erkrankungen leidet, zeigt sich auch erstaunt, dass trotz dessen Verhaftung ein österreichisches Projekt im Iran weitergeführt wird, als ob nichts passiert sei: Laut ihrer Aussage war Mossaheb für die Firma MedAustron im Iran, als er an der Wiederausreise gehindert wurde. Das in Wiener Neustadt ansässige Zentrum für Ionentherapie errichtet im Iran einen Ableger.

Warten auf Rückruf

Die Darstellung von MedAustron-Geschäftsführer Alfred Zens dem STANDARD gegenüber widerspricht der Darstellung der Familie: Demnach habe Mossaheb nur "einen Teil der Gespräche begleitet". In einer ersten Stellungnahme war gar von "einem Zusammentreffen" die Rede.

Da die MedAustron im mittelbaren Eigentum des Landes Niederösterreich steht, suchte DER STANDARD auch bei der Landesregierung um eine Stellungnahme an. Nach einem ersten Kontakt mit Sprecher Hermann Muhr wartete DER STANDARD lange auf einen Rückruf, vergeblich – genauso wie die Familie Mossaheb noch immer vergeblich auf die Beantwortung ihres Briefes an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wartet. (Gudrun Harrer, 3.10.2019)