Fast alle großen Titel des Pariser Medien-Monopoly stehen im Besitz Macron-freundlicher Milliardäre.

Grafik: DER STANDARD

Victoire!", "Sieg!" also, twitterte Raphaelle Bacqué, eine der besten Journalistinnen von Le Monde, als die beiden Hauptaktionäre Xavier Niel und Matthieu Pigasse vor wenigen Tagen ein Stillhalteabkommen eingingen. Das Besitzerduo des Renommierblattes (Auflage 303.000) verpflichtet sich, seine Anteile von je 26 Prozent nur nach Zustimmung der Minderheitsaktionäre in Redaktion und Leserschaft zu verändern (25 Prozent des Kapitals). Letztere freuen sich über die "Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit".

Richtig ist, dass sich Niel und Pigasse unter dem Druck der Journalisten und Leser wieder vertragen. Die einstigen Geschäftspartner hatten sich über Geld und Macht zerstritten. Telekom-Unternehmer Niel (Vermögen 3,5 Milliarden Euro), bekannt für seinen Spürsin, verdächtigt den Lazard-Investor Pigasse, er agiere als Strohmann für den tschechischen Milliardär Daniel Kretínský (Vermögen: 2,6 Milliarden). Im Präsidentschaftswahlkampf 2017 hat sich Niel für Emmanuel Macron engagiert, der Bankerrebell Pigasse hingegen für den Linkenchef Jean-Luc Mélenchon.

Im Geflecht aus finanziellen und politischen Interessen hat es die linksliberale Le Monde nicht leicht. Die Beobachtungsstelle für Journalismus sieht als Sieger des monatelangen Machtkampfs um das wichtigste Pariser Blatt nicht die journalistische Unabhängigkeit, sondern Xavier Niel. Von dem einstigen Porno-Unternehmer stammt das Bonmot: "Wenn mich Journalisten nerven, kaufe ich eine Beteiligung an ihrer Postille, dann lassen sie mich in Ruhe."

"Brillant, aber nicht arrogant"

In sozialen Medien kursiert die Frage, warum die Belegschaft von Le Monde alles unternehme, um den – ausdrücklich antipopulistischen – Energieinvestor Kretínský auszubremsen, nicht aber Niel. Denn: Macron hat schon vor einem Jahr erklärt, er verfolge "wachsam", ob Kretínský die Kontrolle bei Le Monde übernehme.

Niel ist genehmer. Seine Lebenspartnerin Delphine Arnault ist eine Freundin von First Lady Brigitte Macron und die Tochter des Luxusgüter-Magnaten Bernard Arnault (LVMH), der aus seiner Unterstützung für Macron nie ein Hehl gemacht hat. Der viertreichste Erdenbürger (Vermögen: 90 Milliarden) besitzt die wichtigste französische Wirtschaftszeitung Les Echos und das größte Boulevardblatt Le Parisien. Letzteres nennt den Macron im Wahlkampf "brillant, aber nicht arrogant".

Le Monde sah in dem jungen Kandidaten seinerseits die "Lockerheit eines Steve Jobs à la française". Solche Zitate finden sich in dem Buch Opération Macron, in dem der Rundfunkjournalist Eric Stemmelen beschreibt, wie die kleine Gruppe der Medienmilliardäre schon ab 2014 die Kandidatur des damals noch unbekannten Macron "aufgebaut" habe.

Das in Belgien veröffentlichte Pamphlet fand in Paris bezeichnenderweise keinen Verleger. Seine These von der Verschwörung milliardenschwerer Citizen Kanes ist oft tendenziös: Dass die Linkszeitung Libération 2017 "Wählt Macron" getitelt hat, erklärt sich mit der Ablehnung von Marine Le Pen, nicht mit den Besitzverhältnissen. Auch die linke Libé gehört heute einem Selfmade-Kapitalisten erster Güte, Patrick Drahi, der sein Vermögen (11,7 Mrd. Euro) mit Telekomkabeln gemacht hatte. Heute kontrolliert er den größten Informationskanal, BFM, und das bedeutendste Wochenmagazin Frankreichs, L'Express.

Macron, Medien, Milliardäre

Damit stehen fast alle großen Titel des Pariser Medien-Monopoly im Besitz Macron-freundlicher Milliardäre. Eine Ausnahme sind nur die öffentlich-rechtlichen Sender France 2 und 3 – deren Führung bestimmt letztlich auch der Staatspräsident. Die Wochenzeitschrift Le Point gehört der Luxusgüterfamilie Pinault (Kering, Gucci), die auf Macron-Homestorys spezialisierte Illustrierte Paris-Match dem Industrieerben Arnaud Lagardère. Der Baukonzern Bouygues besitzt den landesgrößten TV-Sender TF1, der Financier Vincent Bolloré den Bezahlsender Canal+, die Flugzeugbauer-Familie Dassault die Zeitung Le Figaro.

Diese Milliardäre haben die wichtigsten Pariser Medientitel meist für zweistellige Millionenbeträge übernommen – kein Preis für sie. Was allerdings auch ihr Hauptkritiker Stemmelen vergisst: Ohne ihr Kapital wären die meist hoffnungslos verschuldeten Medien nicht überlebensfähig.

Dabei beziehen sie jedes Jahr 700 Millionen an Subventionen und Fördermitteln – am meisten die kommunistische L'Humanité. Diese staatlichen Gelder schaffen natürlich ihrerseits Abhängigkeiten, nicht zuletzt gegenüber dem jeweiligen Vorsteher im Élysée-Palast.

Die Zeiten, als ein Charles de Gaulle selbst zum Telefon griff, um widerborstigen Chefredakteuren die Leviten zu lesen, mögen vorbei sein. Aber nur, weil das in Paris heute gar nicht mehr nötig ist. (Stefan Brändle aus Paris, 3.10.2019)