WAC-Trainer Gerhard Struber setzt auf intensive Kommunikation. Er erreicht die jungen Wilden in seinem Team genauso wie die Routiniers.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Der historische Sieg in Gladbach soll nur der Start gewesen sein.

Haben voll eingeschlagen: Shon Weissmann und Anderson Niangbo.

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Manche Spitzenspiele kommen unverhofft. Wolfsberger AC gegen AS Roma zum Beispiel. Gemeinsamkeiten? Beide Vereine haben einen Wolf im Wappen, beide Mannschaften starteten vor zwei Wochen mit Siegen in die Gruppenphase der Europa League. Der WAC überraschte Borussia Mönchengladbach auswärts mit 4:0, die Roma setzte sich im Heimspiel gegen Istanbul Basaksehir mit demselben Ergebnis durch. Am Donnnerstag (18.55 Uhr, Dazn) steht in der Merkur-Arena von Graz also die Tabellenspitze der Gruppe J auf dem Spiel. Die Kärntner wollen den Takt vorgeben. Größenwahn? Nein, Selbstvertrauen. Und das kommt nicht von ungefähr.

"Wir können diese Intensität nicht spielen", sagte Borussia-Coach Marco Rose über den WAC. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Zwölf Millionen Euro hatten die Deutschen allein für die Verpflichtung von Teamspieler Stefan Lainer hingelegt, das Budget des WAC beträgt sieben Millionen Euro. Die Kärntner können keine Ablösen stemmen, machen aus der klammen Vereinskasse aber kein Theater, sondern aus der Not eine Tugend. Die Mischung aus ablösefreien Routiniers und geliehenen Talenten funktioniert.

Draht nach Salzburg

Der gute Draht zu Red Bull Salzburg ist bei der Kaderplanung hilfreich. Im Vorjahr stürmte Liefering-Leihgabe Sekou Koita für den WAC, heuer ist es der 19-jährige Ivorer Anderson Niangbo. Die Spieler werden in Wolfsberg nicht schlechter, eine Win-win-Situation. Der im Sommer angetretene Trainer Gerhard Struber (42) hat ebenso Red-Bull-Vergangenheit. Der Salzburger arbeitete an der Akademie, ehe er 2018 Cheftrainer von Liefering wurde. Aus dieser Zeit ist ihm neben der taktischen Finesse ein konstruktiver Umgang mit jungen Spielern geblieben.

Der von Werder Bremen geliehene Mittelfeldspieler Romano Schmid, vom Guardian unter die Top-Talente des Weltfußballs gewählt, profitiert sichtlich von der Zusammenarbeit. Er ist nicht der Einzige. Struber spricht viel mit seiner Mannschaft, bringt Ersatzspielern Wertschätzung entgegen. Die Folge: Jeder zerreißt sich für den anderen, Grüppchenbildung bleibt aus. Es gibt keine unzufriedenen Spieler und kein Jammern. Doppelbelastung? Nie gehört.

"Wir sind keine typisch österreichische Mannschaft", sagte Michael Liendl unlängst zu Sky Sport Austria. Der 33-Jährige ist das Hirn der Mannschaft. Beim Sieg gegen Mönchengladbach glänzte Liendl mit zwei Assists. Den Konter zum 3:0 leitete er mustergültig ein. Pass auf Niangbo, der spielt weiter zu Marcel Ritzmaier, Tor. 35.000 Fans im Borussia-Park fiel kollektiv die Kinnlade runter.

Zug zum Tor

Zwischen Balleroberung und Tor lagen in dieser Szene zehn Sekunden. Zehn Sekunden, in denen sich beim Gegner Unordnung einschlich. Mehr Zeit hat man im modernen Fußball nicht. Solange braucht die Defensive, um sich wieder zu sammeln, die Chance auf einen Treffer ist danach mehr oder weniger dahin. Ein Königreich für Kicker, die ohne zu trödeln präzise Pässe spielen können. Der WAC hat mehrere zur Verfügung.

Der Verein arbeitet, gelinde ausgedrückt, ohne aufgeblähten Apparat. Einen Sportdirektor gibt es nicht. Der Coach gibt bei Transfers die Richtung vor, Vizepräsident Christian Puff und Präsident Dietmar Riegler kümmern sich um die Abwicklung. Es sind kurze Wege, vieles steht und fällt mit der Qualität des Trainers. Der sollte über einen guten Riecher verfügen. So wie bei der Verpflichtung von Shon Weissman. Der israelische Stürmer hatte keine überragende Visitenkarte vorzuweisen, nun trifft er am Fließband.

Die Profis mögen keine Unsummen verdienen, in der 25.000 Einwohner zählenden Stadtgemeinde können sie sich aber ungestört ihrer Arbeit widmen. Verteidiger Lukas Schmitz, früher bei Bremen und Schalke, zeigt sich ob der in Österreich ausbleibenden Medienanfragen erstaunt. Im Lavanttal lebt es sich beschaulich. Es gibt keinen Druck durch Medien, keinen Druck durch Fans. Zuletzt wollten 3.755 das Remis gegen Tirol sehen, 77 standen in Mönchengladbach im Auswärtssektor.

Das Umfeld in Wolfsberg hält mit den sportlichen Erfolgen nicht Schritt. Die Lavanttal-Arena mag ein toller Ort für Leichtathleten sein, eine Fußball-Pilgerstätte ist sie nicht, für die Europa League ist sie nicht zugelassen. Die Bundesliga wünscht sich laufbahnfreie Stadien mit durchgehenden Tribünen. Sollte aus der Vision eine Lizenzbedingung werden, steht der WAC vor einem Problem.

Luft nach oben

Die Mitarbeiter nehmen die Multifunktionsarena mit Humor. "Gestern drei Punkte, heute Laternenfest", hieß es 2018 auf Twitter. Auf dem Foto marschierten Kinder mit Lampions über den Rasen. Nun, da der Verein international mitmischt, geraten die vier Mitarbeiter der Geschäftsstelle allerdings ins Schwitzen. Pressearbeit, Merchandising, Sponsoring – diese Bereiche werden anderswo mit einer Heerschar bewältigt. In der Professionalisierung hat der WAC Luft nach oben.

Für die Europa League wurden 4000 Abos verkauft, gegen Roma werden 12.000 Zuseher erwartet. Das Grazer Stadion wird trotz der Gala bei Mönchengladbach nicht ausverkauft sein. Der Kaderwert der Italiener wird auf 412 Millionen Euro geschätzt, jener des WAC auf elf Millionen. Henrich Mchitarjan fällt aus, Michael Liendl ist fit. Vorteil Wolfsberg. (Philip Bauer, 3.10.2019)

Europa League, Gruppe J, 2. Runde, Donnerstag

Wolfsberger AC – AS Roma
Graz, Merkur-Arena, 18.55 Uhr, SR Tiago Martins (POR)

Mögliche Aufstellungen:

WAC: Kofler – Novak, Sollbauer, Rnic, Schmitz – Schmid, M. Leitgeb, Liendl, Ritzmaier – Weissman, Niangbo

Ersatz: Kuttin – Gollner, Baumgartner, Sprangler, Wernitznig, Schmidt, Schmerböck

Roma: Pau Lopez – Florenzi, Smalling, Fazio, Spinazzola – Cristante, Diawara – Zaniolo, Pastore, Kluivert – Dzeko

Ersatz: Mirante – Santon, Kolarov, Juan Jesus, Mancini, Veretout, Kalinic

Es fehlen: Mchitarjan (Adduktorenverletzung), Pellegrini (Bruch eines Mittelfußknochens), Perotti (Oberschenkelverletzung), Zappacosta (Wadenverletzung), Ünder (Verletzung des Beinbeugemuskels), Cetin (nach Zahn-OP)