Gert Schmidt hatte die gefälschten E-Mails auf seinem umstrittenen Blog veröffentlicht und den "Informanten" bezahlt.

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Wien – Mitte Juni drohte sich der Ibiza-Skandal auch auf die ÖVP auszuweiten: Die Volkspartei preschte in die Öffentlichkeit vor und berichtete von gefälschten E-Mails, die eine angebliche Mitwisserschaft der Türkisen an dem Ibiza-Video beweisen würden. Laut einem Bericht des Ö1-"Morgenjournals" vom Donnerstag haben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien und der Soko Ibiza nun ergeben, dass diese E-Mails tatsächlich gefälscht waren und von einem Betrüger verfasst wurden.

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Die Ermittlungen zeigten mehrere Indizien: Einerseits habe der mutmaßliche Betrüger – ein junger Oberösterreicher – damals behauptet, er habe die E-Mails von einer ÖVP-nahen Agentur im ersten Wiener Bezirk abgesaugt. Die Agentur zur Modernisierung der Ukraine hatte zu jener Zeit ihren Sitz aber nicht mehr am beschriebenen Ort, sondern war schon in den 19. Bezirk übersiedelt.

Andererseits habe die Auswertung des Suchverlaufs auf dem Computer des Mannes nach einer Hausdurchsuchung ergeben, dass er nach Details gesucht hatte, die den E-Mails den Anschein von Authentizität hätten geben sollen. Zum Beispiel suchte der Mann danach, dass der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel im Februar 2018 in Brüssel gewesen war. Das Motiv des Mannes dürfte zudem nicht politisch, sondern eher im persönlichen Lebensbereich liegen, er soll spielsüchtig sein und Geld gebraucht haben.

Ermittlungen laufen

Laut dem Ö1-Bericht wurden diese Details inoffiziell von Behördenseite bestätigt, der Akt läuft aber als Verschlusssache. Die "Presse" zitiert den Anwalt des Verdächtigen, der bestätigt, dass gegen seinen Mandanten vor allem wegen des widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem ermittelt wird. Der Vorwurf der Täuschung, wie ihn die ÖVP ursprünglich artikulierte, spiele im Akt kaum noch eine Rolle. Zur APA sagte der Anwalt, dass die Ermittlungen bestätigen würden, dass es zu keinem Zugriff auf das Computersystem des ÖVP-nahen "Vereins zur Förderung der Wirtschaft in der Ukraine" durch seinen Mandaten gekommen sei.

Die angeblich gefälschten E-Mails zwischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Kanzleramtsminister Blümel sorgten damals für großen Aufruhr. So hieß es in einer der gefälschten Nachrichten, die von Blümel an Kurz verschickt worden sein soll: "Wir haben mehrstündiges Videomaterial, das jeder Überprüfung standhält. Strache + Gudenus. Da sind alle anderen obsolet. Wir brauchen aber eine perfekte Strategie dazu."

E-Mails bei "EU-Infothek" veröffentlicht

Die E-Mails waren auf dem umstrittenen Blog "EU-Infothek" veröffentlicht worden. Dessen Betreiber Gert Schmidt gestand mittlerweile die Fälschung ein. Er habe dem spielsüchtigen mutmaßlichen Betrüger knapp 3.000 Euro als Lohnvorauszahlung bezahlt, da dieser auch behauptet habe, mehrere Videos und zudem das Ibiza-Video selbst zu besitzen. Den Job habe der Oberösterreicher nie angetreten. Ihm droht nun eine Betrugsanklage.

Schmidt hat mit seinem Blog besonders seit Ibiza in der politischen Berichterstattung mitmischen wollen. Zuvor war er vor allem in der Glücksspielbranche aktiv, wo er mit Novomatic kooperierte. In der Branche kenne er "jeden", sagte er im Mai zum STANDARD. Rund um die Ermittlungen gegen den Glücksspielkonzern ist nun auch eine Verleumdungsanzeige gegen Schmidt eingebracht worden, die von der Staatsanwaltschaft geprüft wird.

ÖVP sieht sich bestätigt

Die ÖVP beauftragte nach der Veröffentlichung auch die forensische Abteilung des Beratungsunternehmens Deloitte damit, die E-Mails zu prüfen. Oder, besser gesagt: die Screenshots und Teile der technischen Daten der Nachrichten – mehr sei der ÖVP von dem Medium nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Kritiker behaupteten damals, Kurz wolle einmal mehr nur von seinen Problemen ablenken. Der ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer sagt nun dazu: "Die Vorwürfe gegen die Volkspartei brechen wie ein Kartenhaus zusammen." Er sieht die Volkspartei in allen Fällen im Recht.

Tatsächlich sind die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Hackerangriff auf die ÖVP noch nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Wien wartet noch auf die Antwort der französischen Behörden. Diese wurden per Europäische Ermittlungsanordnung um Hilfe gebeten, weil die mutmaßlich gestohlenen Daten auf einem Server in Frankreich gefunden wurden. Diese sollten ursprünglich per Ende September gelöscht werden. Ob die französischen Behörden die Daten zuvor sicherstellen konnten, sei derzeit nicht bekannt, hieß es. (red, APA, 3.10.2019)