In modernen Hotels wie dem Schani wird die Lobby schon einmal zum Coworking-Space, der auch der Nachbarschaft zur Verfügung steht.

Foto: Hotel Schani Wien/Arnold Poeschl

Das Hotel ums Eck nimmt für die Nachbarn Pakete an, in der Lobby gibt es einen Greißler für kleine Einkäufe, abends wird im Hotelrestaurant diniert: So oder so ähnlich schauen gute Ideen von kreativen Hoteliers heute aus.

"Gott sei Dank", sagt Michael Widmann vom Beratungsunternehmen pkf Hotelexperts. Früher habe die Hotellerie auf große Lobbys verzichtet, weil sich mit der Hotelgastronomie ohnehin kein Geld verdienen ließ. Stattdessen lautete die Maxime, so viele Zimmer wie möglich im Haus unterzubringen. Das hat sich geändert: "Man muss heute die Allgemeinflächen so attraktiv wie möglich machen, um die Zimmer vermieten zu können", sagt Widmann.

"Das ist Dummheit"

Dass man ein und dieselbe Bettenburg in jeder Stadt der Welt hinstellt, ist ein überholtes Konzept. Einige wenige probieren es trotzdem noch. "Das ist natürlich Dummheit", urteilt Widmann. "Ein Produkt, das heute nicht lokal und regional verwurzelt ist, ist kein zukunftsfähiges Produkt mehr."

Moderne Hotels probieren daher zunehmend, sich ihrem Grätzel zu öffnen. Ein paar Thonet-Stühle reichen aber noch lange nicht, um den Gästen einen Wien-Bezug vorzugaukeln. Erste Hotels in Städten wie New York, Washington und Kopenhagen zeigen, wie es gehen könnte: Die Nachbarschaft wird mit Events ins Haus geholt; mit Workshops, Kunstausstellungen, Kochkursen, Weinverkostungen – oder gleich einem Angebot für Sportler. Running-Clubs zum Beispiel, bei denen mehrmals wöchentlich mit Gästen und Locals eine Runde gedreht wird. Auch Sportkurse, für die sich Menschen, die keine Hotelgäste sind, anmelden können, sind möglich.

Manche Serviceleistungen richten sich gleich nur noch ans Grätzel: Der Rezeptionist nimmt Pakete an, wenn beim Empfänger niemand zu Hause ist, und lagert sie im Hotel. Hemden für die Reinigung können ebenfalls abgegeben werden.

Fast wie Airbnb

Warum das Ganze? "Mich als Hotelier würde es freuen, wenn der Nachbar sich in die Lobby wagt", sagt Julian Mayer vom Beratungsunternehmen MRP Hotels. Vielleicht, hoffen viele Hoteliers, gehen sie dann beim nächsten Mal noch ein paar Schritte weiter ins Hotelrestaurant oder an die Bar. Mittlerweile würden Hotels ihre Restaurants sogar schon als eigenständige Marken branden, um Einheimischen dabei zu helfen, ihre Scheu vor dem Hotelrestaurant zu überwinden.

Das wirkt auf den ersten Blick alles ein wenig so, als würden Hotels Airbnb abkupfern. Die Buchungsplattform ist der wohl schärfste Konkurrent der Branche und verspricht Urlaubern seit Unternehmensgründung: "Live like a local." In Wahrheit, so Hotelexperte Mayer, können Hotels das Lokalkolorit aber ohnehin viel besser abbilden als Airbnb, bei dem man den Gastgeber oft nur bei der anfänglichen Schlüsselübergabe zu Gesicht bekommt.

Ganz anders in Hotels, wo Locals nicht nur arbeiten – sondern manchmal sogar einkaufen können. Immer öfter verkaufen Hotels eigene Produkte wie Duschgels und Seifen, die die Gäste während ihres Aufenthalts schon ausgiebig testen konnten. Das bringt Geld, vor allem aber auch Werbung für das Hotel. Hotelexperte Mayer erzählt auch von Hotels, in denen sich ein Herrenfriseur, ein Nagelstudio oder ein nettes Blumengeschäft eingemietet haben, um durch Laufkundschaft die Lobby zu beleben.

Co-Working im Hotel

Auch im 2015 eröffneten Wiener Hotel Schani unweit vom Hauptbahnhof hat man sich in der Planungsphase Gedanken dazu gemacht, wie man die Lobby beleben könnte. Denn wenn die Hotelgäste untertags ausgeflogen sind, steht die Lobby in vielen Hotels leer. Daher wird im Hotel Schani in der Lobby Coworking angeboten. Nach Bedarf können in einer Galerie Arbeitsplätze flexibel angemietet und zusätzliche Besprechungsräume gebucht werden. Hotelgäste arbeiten hier gratis, Einheimische mieten den Arbeitstisch ab zehn Euro pro Tag an. Auch Tages- oder Monatsgäste gibt es. Ein Vorteil des Hotelbetriebs: Essen und Getränke können rund um die Uhr bestellt werden.

Damit, wie sich das Coworking entwickelt hat, zeigt man sich im Hotel zufrieden. Allerdings: "Die Einheimischen müssen erst sensibilisiert werden, denn viele erwarten kein Coworking-Space in einem Hotel", heißt es vonseiten des Hotel Schani.

Was heute zählt: Ein Hotel muss sich von der Konkurrenz abheben, indem es Geschichten erzählt. Sei es über die knusprigen Semmeln vom Bäcker nebenan oder das Craft Beer von der lokalen Brauerei. So klappt es nicht nur mit den Gästen. Sondern auch mit den Nachbarn. (Franziska Zoidl, 7.10.2019)