Was den großen Sieger und den großen Verlierer dieser Nationalratswahl verbindet, ist die Beteuerung, den eingeschlagenen Weg fortsetzen zu wollen, weil doch die Richtung stimmt. Bei beiden Parteien eröffnet das eine unerfreuliche Perspektive, mit dem Unterschied, dass diese einerseits in die Bedeutungslosigkeit, andererseits – kaum weniger peinlich – in ein Weiter wie zuletzt münden könnte. Aus dem Meer der als Analysen angebotenen Spekulationen, die den zweiten Kanzlerversuch von Sebastian Kurz einleitend begleiten, ragt als Schwamm in der Brandung immerhin dessen Maxime hervor, er wolle rechts von der Mitte regieren und seine siebzehn Monate praktizierte Politik unbedingt fortsetzen.

Wenn er das nicht nur ernst, sondern auch ehrlich meint, dann stehen dem Land kurze Koalitionsverhandlungen und die rasche Bildung einer Regierung bevor, die nur die alte sein kann, abzüglich des größten Einzelfalles in der Geschichte der FPÖ. Und wenn es der rechten Sache dient, würde sich auch der Hosentürlklopfer nicht auf den Posten des Innenministers versteifen.

Historischere Siege der ÖVP

Kurz hat dem Land zwei vorgezogene Nationalratswahlen beschert, denen kein erkennbarer Gedanke ans Allgemeinwohl, sondern persönliche und parteitaktische Überlegungen zugrunde lagen. Das ist nicht verboten, macht aber noch nicht zu jenem Retter des Vaterlandes, als den er sich präsentiert. Historisch war sein Erfolg vom Sonntag zweifellos, gemessen am Abstand zur SPÖ. Ältere Menschen werden sich aber vielleicht daran erinnern, dass die alte, die schwarze Volkspartei jahrzehntelang historischere Siege eingefahren hat. Es wäre schon ein kleiner Fortschritt, würde die Öffentlichkeit nicht monatelang mit Koalitionsverhandlungen mit den Grünen gepflanzt, wenn irgendwann nach Weihnachten doch wieder Türkis-Blau Urständ feiert.

Werner Kogler und Sebastian Kurz
Foto: Christian Fischer

Es sind ja schon die Begriffe Rechts und Links auf der politischen Skala nicht besonders präzise, und noch schwerer ist festzustellen, wo die Mitte dazwischen verläuft. Ein wenig rechts von der Mitte mitzuregieren, dürfte den Grünen nicht unbedingt schwerfallen, aber so rechts, wie Kurz-Strache regierten, also eine simple Fortsetzung der bisherigen Politik, das wird sich mit ihnen sicher nicht abspielen.

Es ist daher nur ein Versuch, die Autorität des Bundespräsidenten möglichst rasch für sich einzuspannen, wenn Kurz nach dem Besuch in der Hofburg erklärt, dass die ÖVP den "eindeutigen Auftrag" erhalten habe, den bisherigen Weg fortzusetzen. Schwer vorstellbar, dass Van der Bellen die Fortsetzung von Türkis-Blau gefordert haben sollte. Dass ein Werner Kogler sich auf diese Weise einschüchtern lässt, ist nicht anzunehmen. Nach der Auferstehung der Grünen kann er es sich nicht leisten, solchem Druck nachzugeben.

Rechts von der Mitte wird mit ihm nicht das bisherige Rechts sein. Dafür erhielte Kurz die Chance, den Eindruck eines von Rechtsaußen Getriebenen abzustreifen und endlich einen Bundeskanzlers darzustellen, der imstande ist, eine Regierung zu bilden, die eine Periode durchhält, ohne vor einem Misstrauensantrag zittern zu müssen. Auch wenn es mit den Blauen mehr Spaß gemacht hätte. (Günter Traxler, 3.10.2019)