Investoren weht in der deutschen Hauptstadt derzeit ein schärferer Wind entgegen.

Foto: http://www.istockphoto.com/golero

Die hohen Mieten lassen sich aber nur durch mehr Neubau korrigieren, sind viele sich einig.

Foto: http://www.istockphoto.com/alexbaumann

In deutschen Ballungsräumen sind die Preise für Wohnraum in den letzten Jahren stark gestiegen. Denn jahrelang wurde zu wenig gebaut, und kommunale Wohnungsbestände wurden abverkauft. Deutschland würde schrumpfen, hieß es noch vor wenigen Jahren. Dann kam alles anders.

Nun wird zum Angriff auf Investoren, denen von vielen die Schuld an den hohen Mieten gegeben wird, geblasen. Eine Initiative in Berlin fordert eine Enteignung von Unternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen, und schießt sich 10uf die Deutsche Wohnen ein. Auch die Politik hat den Zeitgeist erkannt: In Berlin wird Anfang kommenden Jahres ein Mietendeckel in Kraft treten, der die Mietobergrenze auf 9,80 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen festlegen dürfte. Die Verhandlungen laufen derzeit.

Investoren, die die deutsche Hauptstadt in den letzten Jahren als heißes Pflaster entdeckt haben, freut das nicht. Als der böse Investor, der die Mieten in die Höhe treibt, sieht sich naturgemäß aber keiner. "Unglaublich" findet Robert Neumüller, Chef der Deutschland-Niederlassung der österreichischen s Immo AG, die Enteignungsdebatte. Für ihn ist klar: Durch die Diskussionen werden Investoren vergrault. Auch wenn der Mietendeckel derzeit noch ausgearbeitet und am Ende wohl "weichgespült" werde: "Irgendetwas wird kommen."

Kein Geld für Renovierungen

Das wird sich in der Tat auf den Wohnungsmarkt auswirken, glaubt man bei der s Immo AG – allerdings nicht so, wie vonseiten der Politik gewünscht. "Investitionen werden gestoppt, und die Baukonjunktur wird zum Erliegen kommen", sagt Neumüller. Mancher Berliner Hausbesitzer kündigt auch bereits an, leer werdende Wohnungen mit Sanierungsbedarf lieber leerstehen zu lassen, als viel Geld in das Renovieren zu stecken.

Neumüller befürchtet ein Aufblühen der Schattenwirtschaft: "Es gibt Leute, die bereit sind, 16 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung zu bezahlen." Diesen werde dann künftig wohl von manchem Vermieter der Vorzug gegeben, dafür ein mit Geld gefülltes Kuvert überreicht.

Kritisch sieht die Entwicklungen auch Alexander Neuhuber, Geschäftsführer des Transaktionsmanagers Magan Advisors mit Sitz in Wien. Er ist seit 15 Jahren in Berlin unterwegs. Damals hätten viele Investoren noch lieber die Finger von der deutschen Hauptstadt gelassen. "Da sind die gebratenen Zinshaustauben durch die Straßen geflogen", erinnert Neuhuber sich und lacht.

Die nun geführte Enteignungsdebatte ärgert ihn allerdings maßlos: "Ich finde es ungustiös, dass eine Diskussion über Enteignungen ausgerechnet in Berlin startet", wo es doch in großen Teilen der Stadt bis vor wenigen Jahrzehnten gar kein Eigentum gegeben habe, so Neuhuber. Zwar gebe es heute tatsächlich "Auswüchse, die man für den sozialen Frieden korrigieren muss" – allerdings nicht durch einen Mietendeckel, sondern durch Neubau. "Und daran hapert es in Berlin."

Zu viele Auflagen

Das kritisiert auch Ernst Vejdovszky, Vorstandsvorsitzender der s Immo AG. Derzeit gebe es zu viele Auflagen, außerdem würden "zwei Lurche auf der Wiese" oft eine zu starke Gewichtung bekommen und wichtige Bauprojekte verhindern.

Noch etwas kritisiert Neuhuber: "Die Politik stellt die Illusion her, dass sich jeder das Wohnen an jedem Ort in jeder Stadt leisten kann." Man müsse die Verkehrsin frastruktur stärken und jene Städte fördern, in denen das Wohnen noch nicht so teuer ist, fordert er. In Chemnitz zahle man beispielsweise 4,50 Euro für den Quadratmeter, eine gute Universität gebe es außerdem.

Nicht nur deshalb sind bei Investoren längst sogenannte B- und C-Städte abseits von Berlin in den Fokus gerückt. Neuhuber ist auch in Städten wie Rostock, Zwickau und Chemnitz oder Dresden aktiv, teilweise auch in Kreisstädten, die sich positiv entwickeln. Auch die s Immo AG setzt auf Städte wie Leipzig, Erfurt und Halle.

Spekulation im Speckgürtel

Und im Berliner Speckgürtel zeigt sich das österreichische Unternehmen ebenfalls erfinderisch: Hier werden spekulativ Grundstücke erworben. 125 Hektar sind es mittlerweile, teils mit Widmungen als Wald, Wiesen und Konversionsflächen. Gute Geschäfte mache man beispielsweise mit Industrieunternehmen, die nicht mehr benötigte Flächen verkaufen. Außerdem wird bei Privatpersonen eingekauft, die nach der Wende Grundstücke kauften und auf eine positive Entwicklung hofften – die sich bis heute nicht eingestellt hat.

Die Käufer von damals sind heute in vielen Fällen alt, "mit denen sitzen wir jetzt am Tisch oder am Krankenbett", so Robert Neumüller. Er sagt: "Sie sind froh, dass sie jetzt einen Schlussstrich ziehen können." Im Durchschnitt wird um 13 Euro pro Quadratmeter eingekauft und auf das Wertsteigerungspotenzial gehofft, wenn die Bebauungspläne geändert und die Grundstücke entwickelt werden. "Selbst wenn das nur bei der Hälfte der Objekte geht, kommen da Werte raus – bist du narrisch!", so Vejdovszky.

Auch in der deutschen Hauptstadt selbst bleiben viele Investoren optimistisch: Am Ende werde sich die Vernunft durchsetzen, ist Robert Neumüller von s Immo Germany überzeugt. "Es ist aber zu befürchten, dass das dauert", ergänzt s-Immo-Chef Vejdovszky.

Die ersten Auswirkungen sieht man bereits: Das Angebot an Wohnimmobilien sei in den letzten Wochen als Reaktion auf den angekündigten Mietendeckel "ruckartig" nach oben gegangen, berichtet Alexander Neuhuber – derzeit allerdings noch zu überteuerten Preisen. Diese würden sich an die geänderte Stimmung am Markt aber wohl in den nächsten Monaten auch noch anpassen, ist er überzeugt. Eine gute Zeit für Investoren also, in Berlin einzusteigen. Um zu warten, bis die Preise wieder nach oben gehen. (Franziska Zoidl, 10.10.2019)