Auf sie mit Gebrüll! Es geht für Brauer im Stück um die Wurst.

Foto: Matthias Heschl

Eigentlich hätten Vegard Vinge und Ida Müller die Saison im Schauspielhaus Wien eröffnen sollen, aber die Extremregisseure aus Berlin mussten kurzfristig absagen. Man hat mit Maximilian Brauer einen nicht weniger exzentrischen Ersatz gefunden: einen anderen Theaterirren.

Es beginnt damit, dass Brauer das Publikum im Foyer festhält. "Das ist alles ungeprobt", verspricht er als Footballspieler verkleidet, stolpert über das Kabel seines Mikrofons und kommentiert vor den Glastüren vorbei eilende Passanten, als wären sie Statisten. Mit vielen schlechten Sprachspielen und leckeren Schokobananen dauert das 40 Minuten. Na ja. Dann ab in den Saal.

Nach einer Stunde zieht sich dort eine Spur der Verwüstung über die Bühne. Poster von Nilpferden, mit denen zuvor das Prinzip der Repetition erläutert wurde, liegen mit Ketchup und Schlag verschmiert in einer Ecke. Eine glänzende Picknickdecke ist übersät mit Colaflaschen, Bier und Pizza: Der Essenslieferant hat nie an einen seltsameren Ort zugestellt, der Rosenverkäufer das Geschäft seines Lebens gemacht.

Exzess mit Liveband

F for Factory ist ein Mittelding aus Stück, kontrolliertem Exzess und Liveband. Die beginnt nach etwa zwei Stunden zu spielen und spielt nach zweieinhalb immer noch. Eine kleine Verschnaufpause für Brauer, der den Abend sonst im Alleingang vorantreibt. Nach drei Stunden zur Not auch mit Kartentricks und nach vier mit einem Österreichquiz und Sekt. Fragen Sie nicht nach Handlung!

Brauer ist im Ensemble der Berliner Volksbühne, wenn René Pollesch oder Frank Castorf inszenieren, steht er bereit. Für den Per former Ragnar Kjartansson starb Brauer als preußischer Soldat mit Bauchschuss eine Stunde lang.

"Man darf nur nie aufgeben am Theater", lässt Brauer uns wissen. Recht hat er, und je größer der Nonsens, desto inbrünstiger muss er vorgebracht werden. Wer noch nie eine Herde von mit Bohrmaschinen bewaffneten, bunt blinkenden Spielzeugdinosauriern zu Ravels Boléro in Aktion erlebt hat, sollte schon bis Mitternacht aushalten – ein erhebender Moment.

Nicht dass jeder davon gut wäre, doch alles ist irgendwie spannend: optisch, musikalisch oder bloß, weil es den Anschein hat, jetzt steht Brauer irgendwo an und muss improvisieren. Man gewinnt ihn in dieser Beharrlichkeit lieb, mit der er sich verausgabt. Was als Farce beginnt, wächst im Kunstnebel zum Chaos, das einen tanzenden Stern gebiert. Nach viereinhalb Stunden fliegt der Abend immer noch und die Requisiten sind nicht verbraucht, aber einmal muss leider Schluss sein. (Michael Wurmitzer, 3.10.2019)