Wie die Mittagspause in den Unternehmen geregelt ist, ist für Julia Ernst eine Form der Wertschätzung.

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Mit der Haltung des Arbeitstieres ist es ja so: Das Umfeld ist sehr häufig artgerecht. Ergonomisch geeigneter Sitz, Hardware – ein, zwei, drei Bildschirme, damit das Tier auch seine Aufgaben erledigen kann – und Teamstrukturen, die die Hierarchie im Rudel bestimmen. Nur in der Ernährung, da ist das Arbeitstier häufig auf sich allein gestellt. Die einen gehen auf Weckerljagd, die anderen nehmen sich von zu Hause Gesammeltes mit. Eine ziemliche Willkür, die das Arbeitstier im Gegensatz zu anderen Spezies gegenüber etwas so Zentralem fürs Überleben wie dem Essen da an den Tag legt.

Dabei wissen wir doch: Pausen fördern die Konzentrationsfähigkeit. Gesundes Essen auch. Und kein Personaler möchte auf den teambildenden Effekt des Zeitpunkts verzichten, wenn sich die Arbeitstiere zum Mittagessen zusammenfinden. "Das Problem ist die Planbarkeit", sagt Julia Ernst. Sie arbeitet bei Wine & Partners, einer PR-Agentur mit 13 Mitarbeitern, in der täglich frisch gekocht wird. Zudem ist sie diplomierte Ernährungstrainerin und weiß daher: "Als Arbeitgeber ist man nur verpflichtet, den Mitarbeitern eine Möglichkeit zum Kühlen und eine zum Aufwärmen zu geben." Mit einem Kühlschrank und einer Mikrowelle ist das genauso getan wie mit einer vollausgestatteten Küche.

Mittagessen gehört dazu

Für Julia Ernst ist die Art des Mittagessens ein wesentlicher Pluspunkt in ihrem Job. Damit ist sie nicht allein. Eine Auswertung des Jobbewertungsportals Kununu zeigt: Das Mittagessen fließt nahezu immer in die Bewertungen ein und wiegt jedenfalls schwerer als ein Parkplatz oder ein Firmenhandy. Für Julia Ernst hat das Kochen im Büro gleich mehrere Vorteile: "Ist man mit dem Kochen dran, kommt man vom Schreibtisch weg, ist man nicht dran, bleibt man so lange konzentriert sitzen, bis es heißt: Essen ist fertig." Außerdem nimmt es einem Stress, sich nicht um das tägliche Büromittagessen sorgen zu müssen. Und natürlich ist es auch eine Form des finanziellen Benefits, wenn der Arbeitgeber den Einkauf übernimmt.

Dieser Text ist im Magazin Der Standard Karriere am 10.10.2019 erschienen. Erhältlich ist das Magazin hier.

Ganz abgesehen von der Wertschätzung, die mitschwingt, wenn es dem Arbeitgeber offensichtlich nicht egal ist, was und wie der Mitarbeiter Essen in seinem Büroalltag zu sich nimmt. Im Büro freue man sich schon in der Früh darauf, wenn ein Mitarbeiter ankündigt, sich beispielsweise über den ersten selbstgemachten Pizzateig zu trauen oder mit Omas Rezept für Osttiroler Schlipfkrapfen Premiere zu feiern. Bei Wine & Partners hat Essen schon von Berufs wegen einen hohen Stellenwert. Dieser geht so weit, dass neue Mitarbeiter, die wenig bis gar nicht kochen, von den Kollegen an das Kochen herangeführt werden – vorausgesetzt sie wollen es. Womit sich der Kreis beim Teambuilding schließt.

Zuschüsse zum Mittagessen

"Millennials und der Generation Y ist es nicht egal, was sie essen. Das passt nicht in ihr Bild von Work-Life-Balance", sagt Nicole Mayer von der Spendit AG. Ihr Unternehmen bietet eine App an, mit der ein Essenszuschuss vom Arbeitgeber digital im Nachhinein abgerechnet wird. Der Mitarbeiter geht in Vorleistung, scannt die Belege von Restaurant oder Supermarkt und bekommt die jeweilige Förderung mit dem nächsten Gehalt gutgeschrieben. Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Zuschüsse zum Mittagessen in Österreich bis zu einem Betrag von 4,40 Euro steuerfrei sind. Damit liegt die Republik im europäischen Schlussfeld. In Spanien können Unternehmen das Mittagessen ihrer Mitarbeiter mit bis zu elf Euro steuerfrei fördern.

"Der Essenszuschuss ist Teil des Einkommensteuergesetzes, und das wurde seit Jahrzehnten nicht überarbeitet", erklärt Mayer. Zu dieser Zeit war ein Mittagessen für 4,40 Euro durchaus drin. Heute sieht das anders aus. Eine von der Spendit AG durchgeführte Studie zeigt anhand von mehr als 630.000 Belegen: Heute geben Österreicher im Schnitt 7,69 Euro für ihr Mittagessen aus.

Ein Zuschuss von bis zu 4,40 Euro ist aber immer noch ein feiner Benefit. Einer, auf den viele Arbeitgeber setzen, weil kaum eine Zusatzleistung derart breitenwirksam ist. Vom Jungmitarbeiter bis hin zum Altgedienten: Förderungen für gutes Essen sind von allen gern gesehen. Denn es geht alle an. Für Talente der jüngeren Generation wird die Art der Mittagspausenkultur immer öfter zum wesentlichen Entscheidungskriterium.

Teil der Gesundheitsförderung

Rita Kichler vom Fonds Gesundes Österreich verweist darauf, dass jeder in betriebliche Gesundheitsförderung investierte Euro in etwa dreifach zurückkommt, sich also rechnet. Die Ernährung ist Teil der Gesundheitsförderung. "Alle Beteiligten müssen hinter dem Projekt stehen. Und gesundes Essen muss man vom Gefühl des Verzichts lösen", das sind die Knackpunkte, sagt Kichler. Ansonsten sind eingefahrene Strukturen wie das tägliche Extrawurstsemmerl vor dem Rechner schwer zu durchbrechen.

Die Möglichkeiten reichen von der Optimierung des Speiseangebots in der Kantine bis hin zum Schaffen attraktiver Verpflegungsmöglichkeiten, wenn es keine Kantine gibt. Hier tut sich wiederum ein Fächer von Kochgruppen (nur unter Bereitstellung der benötigten Infrastruktur) über finanzielle Benefits bis zur Verankerung des Stellenwerts des gesunden Mittagessens in der Unternehmenskultur auf. Und wie das bei Herden so ist, hilft es auch, wenn das Leittier mit gutem Beispiel vorangeht. (Nina Wessely, 16.10.2019)