Die Völkerrechtlerin Vjosa Osmani (li.) von der LDK könnte die Wahlen gewinnen.

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Diesmal hat er erstmals echte Chancen. Erolind Kurtaliqi – grauer Pullover, graue Sneakers, Jeans – hofft, dass Albin Kurti Premier wird und die Vetëvendosje endlich regieren wird. Nur dann würde sich im Kosovo wirklich etwas ändern, meint der 23-Jährige. Der Wirtschaftsstudent aus der Nähe der Stadt Ferizaj hat alle Parteiprogramme genau gelesen. Ihm geht es darum, dass die Monopole, die an den Kommunismus erinnern, aufgebrochen werden und die "kleinen Betriebe Luft zum Atmen bekommen". Junge Leute wie Kurtaliqi wollen, dass nicht mehr Parteien und ihre Gefolgsleute mit ihren Interessen die Verwaltung und die Justiz untergraben, sondern alle Bürger gleich behandelt werden und Leistung etwas zählt.

Kurtaliqi hat allerdings die Sorge, dass die anderen Parteien so viele Stimmen "kaufen" können, dass sie den Machtwechsel verhindern werden. "Die versprechen dem Dorfvorsteher, dass sie die Abwasserkanäle reparieren oder Straßen oder Schulen bauen werden, und dann sorgt der dafür, dass diese Parteien ausreichend Stimmen bekommen", erklärt er die Realitäten auf dem Land. In den Städten, insbesondere in Prishtina, ist hingegen die linksnationalistische Vetëvendosje überaus populär. Spricht man mit den Leuten in der Hauptstadt, so sagen fast alle, dass sie am Sonntag "Albin" wählen werden.

Postenschacher und Korruption

Im Kosovo bahnen sich deshalb bei den vorgezogenen Wahlen erstmals ein Generationswechsel und damit auch ein Politikwechsel an. Die alten Parteien, die aus der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) hervorgingen, haben deutlich an Beliebtheit eingebüßt – insbesondere die PDK, zu der auch Präsident Hashim Thaçi gehört. Sie werden von vielen Kosovaren mit Postenschacher, Vetternwirtschaft und Korruption in Verbindung gebracht. "Albin", wie Kurti kurz genannt wird, ist das Gegenmodell dazu. Er redet schon ewig gegen dieses System an.

Früher war er der Sponti, der sich weigerte, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten oder mit Vertretern des serbischen Staates zu reden. Albin Kurti spielte jahrzehntelang den Bürgerschreck im Kosovo. Seine Bewegung, die Vetëvendosje, versprühte Tränengas im Parlament, um Abstimmungen zu verhindern, die Autos der EU-Rechtsstaatsmission Eulex wurden aus Protest umgekippt.

Nun sitzt er im achten Stock des Hotel Sirius in Prishtina, in einen feinen Anzug mit Krawatte gekleidet, und ist drauf und dran, der nächste Regierungschef des jüngsten Staates Europas zu werden. Kurti ist auch inhaltlich moderater geworden. Er ist auf den Dialog mit Serbien vorbereitet, will die Justiz reformieren und mit der EU zusammenarbeiten.

Allerdings bleibt er ein Nationalist, der weiterhin für ein Großalbanien eintritt. Bisher haben die USA und die EU deshalb immer signalisiert, dass sie Kurti nicht in der Regierung wollen. Nun wird der 44-Jährige bereits in die US-Botschaft eingeladen und von den deutschen Sozialdemokraten unterstützt. Der Vetëvendosje (VV) werden vor allem die über 40.000 Stimmen der Diaspora nutzen, die diesmal per Briefwahl mitstimmen wird.

Umfragen zufolge liegt die VV mit 26 Prozent etwa gleichauf mit der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK), die diesmal die 37-jährige Vjosa Osmani ins Rennen schickt. Wenn Kurti die Wahlen gewinnen sollte, ist eine Koalition mit der LDK sehr wahrscheinlich. Falls die LDK vorn liegt, kommt es darauf an, welcher Flügel sich in der konservativen Fraktion durchsetzen wird. Osmani ist nur Spitzenkandidatin und nicht Parteichefin.

Alte Männer, junge Frau

In ihrer Partei haben noch immer viele alte Männer das Sagen, die tief in dem korrupten System verwurzelt sind. Deshalb ist es möglich, dass die LDK wieder eine Koalition mit einer der Parteien eingehen könnte, die zuletzt an der Macht waren, obwohl Osmani eine Kooperation mit der PDK strikt ausschließt. "Am 6. Oktober geht es eigentlich um zwei Wahlen gleichzeitig", erklärt der Politologe Arben Hajrullahu von der Universität Prishtina. "Einerseits gibt es die Entscheidung über den Wahlsieger und andererseits darüber, wer in der LDK obenauf sein wird." Nur wenn der Reformflügel rund um Osmani gewinnt, ist eine tiefgreifende Veränderung für die Partei und damit für das Land möglich. (Adelheid Wölfl aus Prishtina, 6.10.2019)