Die Wiener Staatsoper hat eine neue Version von Benjamin Brittens "A Midsummer Night's Dream" und mit dem wendigen Mimen Theo Touvet (als Puck) zumindest eine Attraktion.

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Auf dem moosbedeckten Sofa ist wilde Verliebtheit ausgebrochen. Ein Mann steckt mit seinem Riechorgan tief im Dekolleté einer verzückten Dame. Nur seine stolzen Eselsohren ragen erregt gen Himmel und verstellen der Dame den Blick, was ihr natürlich behagt. Blind vor Zuneigung, entfacht durch ein paar Blütentropfen, lässt Titania (Erin Morley) den zum Langohr verwandelten Bottom (erheiternd Peter Rose) an ihre Oberweite ran. Das alte Sofa wird zum Himmel auf Liebeserden.

Titanias Gatte, Elfenkönig Oberon, brachte beide mit der Verabreichung von Liebestropfen zusammen, um seiner Gemahlin eine Lektion zu erteilen. Die Übung läuft gut an, dennoch ist der Monarch (edles Timbre: Lawrence Zazzo) unrund. Bleibt er in dieser Inszenierung zumeist in steifer monarchisch gezierter Pose, wird er bei seinem Puck eher ruppig. Puck hat jenem hier als Bauarbeiter vorgestellten Bottom zwar einen Eselskopf verpasst, ansonsten jedoch nur Verwirrung gestiftet.

Die vier ohnedies herzverwirrten junge Menschen, die in Harry-Potter-Schuluniformen herumirren, stürzt Puck in noch wirrere Konstellationen. Lysander (Josh Lovell) und Demetrius (Rafael Fingerlos) konzentrieren sich streitend auf Helena (edler Klang: Valentina Nafornita), während Hermia (Rachel Frenzel) plötzlich an Nichtbeachtung leidet.

Vom virtuosen Körper

Schlimm für die vier, einerlei für die Produktion: Die eigentliche Attraktion ist Puck, der die familiengerechte, auf Konsens schielende Regie auffrischt. Die Schwerkraft hat es schwer mit ihm. Er ist Bodenturner, Schlangenmensch, ein Akrobat, der die Wände dieses verwahrlosten Palastes mühelos erklettert (Bühnenbild: Noelle Ginefri-Corbel). Ein paar Salti absolvieren, in die Brücke gehen oder ein Rad schlagen: Es existiert offenbar nichts, was Theo Touvet als theatralische Zirkusnummer, die ihre Sätze heftig herausbrüllt, nicht mit unfehlbarer Leichtigkeit vollbringen würde.

Natürlich sagt dies auch einiges über die sympathische, aber ereignisblasse Regie von Irina Brook aus. Sie legt Brittens A Midsummer Night's Dream als solides Kammerspiel der Gefühle an. In einem Einheitsraum, der als von der Natur langsam bedeckter, verfallener Palast erscheint, bleibt ihre Erzählung frei von Dramatik und Auslotung tieferer Schichten der schließlich sanft entschlummernden Figuren.

Grelles Intermezzo

Immerhin: Die sich an der Schauspielkunst abmühenden sympathischen Arbeiter, die tragikomisch Pyramus and Thisbe geben, liefern ein kurzweiliges Intermezzo. Das Grüppchen (Benjamin Hulett, Wolfgang Bankl, Thomas Ebenstein, William Thomas und Clemens Unterreiner) sorgt mit grellem Blödelhumor für eine lockere Atmosphäre, die vielleicht auch die Adressaten der Theateraufführung genossen – also der heiratswillige Theseus (Peter Kellner) und seine edle Hippolyta (Szilvia Vörös).

Der Rest, so ist das Stück eben, erzählt von der reinigenden Kraft des Traumes, von der Reue und versöhnlichem Erwachen, das man auch den am Brexit-Albtraum Beteiligten wünschen würde. Davon ist bei Brook natürlich nichts zu sehen. Immerhin aber referiert sie die Oper elegant und überlässt die Sänger bei der Gestaltung ihrer Parts nicht sich selbst.

Die orchestrale Seite der Oper erscheint als Benjamin Brittens gütige Umgarnung der William Shakespeare nachgestalteten Handlungsebenen. Die flächig anmutenden, sanften Akkordplateaus wirken edel. Das Wiener Staatsopernorchester reichert sie schließlich mit jenem Goldstaub ihres samtig-dunklen Klanges an, was Atmospätre schafft. Diese instrumentalen Ruhepunkte wirken eindringlich, Spannung wird hier letztlich über den Klang selbst generiert.

Die australische Dirigentin Simone Young setzt selbst dort, wo muntere Rufzeichen zu erwecken wären, eher sanfte, diskrete Akzente. Das klang ein bisschen zu behutsam. Vielleicht wäre mitunter eine etwas zupackendere Art zweckdienlicher im Sinne der Kontraste gewesen.

Wer ersetzt Puck?

Egal, es gab schließlich Akrobat Puck. Als hochwendiger Running Gag sorgt der grandiose Theo Touvet für jene Intensität, die seiner Umgebung bisweilen – natürlich mit weniger artistischen Mitteln – zu wünschen gewesen wäre. Am Ende wandert er durchs Publikum und spricht emphatisch letzte Sätze, während sein Antlitz im Wiener Opernlicht Begeisterung ausstrahlt.

Bleibt nur die Frage, wer ihn, sollte die Produktion Teil des Repertoires werden, als Puck ersetzen soll. Hoffentlich hat Touvet immer Zeit. Der größte Applaus war ihm an diesem Abend jedenfalls sicher. (Ljubisa Tosic, 4.10.2019)