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Fürchtet euch nicht vor den Robotern! Das ist die Hauptbotschaft des zypriotisch-britischen Ökonomen Christopher Pissarides, der 2010 für seine Erkenntnisse zum Arbeitsmarkt den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat. Im STANDARD-Gespräch erklärt er, warum er keine Massenarbeitslosigkeit durch die Digitalisierung erwartet: "Technisch ist es möglich, dass Roboter viele Jobs wegnehmen werden. Aber die Fantasie kennt keine Grenze für die Fähigkeit von Menschen, neue Jobs zu schaffen. Und wir können heute gar nicht sagen, wo sie überall entstehen werden."

Dabei gehe es nicht nur um Billigjobs wie Zusteller, betont Pissarides, dem am Donnerstag die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien die Oskar-Morgenstern-Medaille verliehen hat. Als positives Beispiel nennt der 71-Jährige "gut bezahlte Fitnesstrainer. Die hat es vor ein paar Jahren noch gar nicht gegeben." In allen Sektoren müsse man versuchen, den Status und die Bezahlung von Jobs zu verbessern. "Sonst wird die Spaltung im Arbeitsmarkt immer extremer, und dann wächst auch der politische Extremismus", warnt Pissarides.

Unternehmer gefordert

Da seien Unternehmer gefordert, etwa in der Hotellerie, wo man Löhne und Preise anheben könne, wenn die Qualität des Angebots verbessert wird. Das Gleiche gelte für Restaurants, die immer mehr zu einem Platz der Unterhaltung werden, und die Altenpflege, wo der Bedarf nach hohen Standards wachse.

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Pissarides erhielt die Oskar-Morgenstern-Medaille.
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Pissarides unterstützt die Einführung von Mindestlöhnen, weil dies bestehende Ineffizienzen am Arbeitsmarkt zu beseitigen hilft. Aber der Mindestlohn dürfe nicht zu hoch sein und sei kein geeignetes Instrument zur Bekämpfung von Armut. "Das ist nicht die Aufgabe von Arbeitgebern, sondern des Staates", sagt er.

Skeptisch steht Pissarides einem bedingungslosen Grundeinkommen gegenüber. Denn ist dieses niedrig, erhielten besonders bedürftige Gruppen zu wenig Hilfe; sei es für solche Menschen hoch genug, dann werde es zu teuer.

Für starke Gewerkschaften

Starke Gewerkschaften hält Pissarides aus Arbeitsmarktsicht für vorteilhaft, vor allem wenn sie, wie in Österreich, das Gemeinwohl im Auge haben. Dann würden sie die Einführung neuer Technologien, die die Produktivität und damit die Löhne erhöhen, unterstützen. In Frankreich mit seinen kleinen, radikaleren Gewerkschaften sei das anders.

Von einer Maschinensteuer hält Pissarides wenig. "Man soll die Unternehmen besteuern, nicht die Roboter. Ein stark mechanisiertes Unternehmen soll für die gleichen Gewinne nicht mehr Steuern bezahlen als eines mit hohen Personalkosten."

Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zeigt Pissarides Verständnis für die Pläne des Arbeitsmarktservice (AMS), einen Algorithmus zur Einstufung von Jobsuchenden zu verwenden. Es sei sinnvoll, die meiste Energie bei der Vermittlung aussichtsreicher Kandidaten einzusetzen. "Stars zu unterstützen ist gut für die Produktivität, Ausgaben für jene mit schlechten Erfolgschancen zeigen meist wenig Wirkung", sagt er.

Fortbildung für Ältere

Auch Älteren müssten alle Fortbildungsprogramme offenstehen, solange sie gesund sind, betont Pissarides. Dass so viele Unternehmen Bewerber über 50 diskriminieren, sei höchst kurzsichtig: "Es bringt nichts, einen 30-Jährigen anzustellen, weil man glaubt, dass er lange im Unternehmen bleiben wird. Nach fünf Jahren ist er meist wieder weg." (Eric Frey, 4.10.2019)