Kleine Schritte für den Patienten, aber ein großer für die Forschung an der Gehirn-Maschine-Schnittstelle: Dieser gelähmte Mann steuert seine Prothesen mit seinen Gedanken und zwei dauerhaften Implantaten.
Foto: Juliette Treillet/Fonds de dotation Clinatec

Grenoble/Wien – Dass Menschen allein mit ihren Gedanken Roboter und Computer steuern, klang noch vor wenigen Jahren nach Science-Fiction. Mittlerweile ist die Vision von Gehirn-Maschine-Schnittstellen längst nicht mehr nur ferne Zukunftsmusik, sondern in der Gegenwart angelangt. So etwa buttert Elon Musk seit drei Jahren Millionen in seine Firma Neuralink. Dort arbeitet ein internationales Team von Neurowissenschaftern, KI-Forschern, und Elektroingenieuren daran, das menschliche Gehirn in Zukunft mit einer Art von Software-Updates verbessern zu können.

Die meisten Forschungsvorhaben zur Hirn-Maschine-Schnittstelle sind aber im medizinischen Bereich angesiedelt: Gelähmten Personen soll auf diese Weise das Leben erleichtert werden.

Dauerhaftes Kopfimplantat

Ein besonders spektakuläres und weltweit einzigartiges Projekt dieser Art stellen nun französische Wissenschafter aus Grenoble vor. Sie arbeiten mit einem an Armen und Beinen gelähmten Patienten, der seit zwei Jahren zwei kabellose Geräte zur Aufzeichnung seiner Hirnströme über der Hirnhaut, aber unter der Schädeldecke implantiert hat.

Das Hirnimplantat und seine Positionierungen im Schädel.
Foto: O. LaBreche/Fonds de dotation Clinatec

Die Geräte liegen direkt über den Hirnarealen, die für Empfindungen und motorische Bewegungen zuständig sind (sensomotorischer Kortex). Sie zeichnen mit jeweils 64 Elektroden die Hirnströme dieser Regionen auf. Fokussiert sich der Patient gedanklich darauf, ein Bein bewegen zu wollen, zeichnen die Implantate die Signale auf und leiten sie drahtlos an einen Computer-Algorithmus weiter, der die Informationen in motorische Befehle übersetzt.

Die Hirnsignale werden in Bewegungen übersetzt.
Foto: Juliette Treillet/Fonds de dotation Clinatec

Begrenzter Patientennutzen

Wie die Forscher im Fachblatt "The Lancet Neurology" berichten, kann dieser Patient auf diese Weise nach viel Training und in ein Exoskelett eingeschnallt alle vier Gliedmaßen bewegen – die Arme in jeweils vier Richtungen und die Beine für ein paar wacklige Schritte.

The Lancet

Für die Forschung an Gehirn-Maschine-Schnittstellen ist das ein Fortschritt, doch für den Patienten selbst hat das kaum Vorteile, was auch in einem Begleitkommentar kritisiert wird. Die Konzentration der Forschung auf die Bewegungsfähigkeit von Querschnittsgelähmten greife zu kurz und missachte drängende Probleme dieser Patientengruppe, wie die aktive Kontrolle der Blase oder des Darms. (tasch, 4.10.2019)