Erlaubtes Bild aus einem Spaltenboden-Stall. Die ÖVP will strafrechtlich verbieten, die Lage in Mastbetrieben durch unangekündigte Stallbesuche zu dokumentieren.

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Wien – Hektisch begann die Nationalratssitzung am Mittwoch vor einer Woche im Klub der Neos. Anlass war ein Abänderungsantrag der ÖVP zu dem kurz vor der Nationalratswahl zum Beschluss vorliegenden Gewaltschutzpaket. Die vorgeschlagene Neuerung betraf eine grundrechtlich höchst relevante Strafrechtsbestimmung: Paragraf 109 Strafgesetzbuch, der den Hausfriedensbruch sanktioniert.

Ohne Begutachtungsverfahren

Das Problem dabei, das dem Vernehmen nach zu eiliger Abstimmung mit den anderen Fraktionen sowie Telefonaten mit Justizministerium und Rechtsanwaltskammer führte: Die Türkisen planten, den neuen Hausfriedensbruch-Paragrafen ohne jede Debatte und ohne Begutachtungsverfahren durchzubringen.

"Die ÖVP hat kurzfristig eine sehr gravierende Änderung des Tatbestandes eingebracht", heißt es dazu aus dem Klub der Neos: "Dieses Vorgehen halten wir für hochgradig unseriös."

Tiefgehende Änderungspläne

Laut dem türkisen Antrag sollte der Hausfriedensbruch-Paragraf tiefgehend geändert und verschärft werden: Bisher bestraft er mit bis zu einem Jahr Haft ausschließlich das "Eindringen in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt" – wenn der Hausherr der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung dazu erteilt.

Künftig sollte diese Sanktion auch jedem Menschen drohen, der ohne Gewaltanwendung "in ein Haus, eine Wohn- oder Betriebstätte oder in einen unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Bereich" eindringt und der dort trotz anderslautender Aufforderung des Hausherrn "beharrlich verweilt". Das Gleiche gilt, wenn er oder sie dort "Bild- oder Tonaufnahmen" macht.

Journalisten und Tierschützer

Damit stünden etwa investigative Journalisten rasch unter Strafrechtsandrohung. Ebenso Tierschutzaktivisten, die mittels Nachschlüsseln oder auf andere gewaltfreie Art in Ställe eindringen. Dort dokumentieren sie Verstöße gegen Bestimmungen zum Schutz von Nutztieren oder auch die ihres Erachtens inakzeptablen Haltungsbedingungen unter geltendem Gesetz, zum Beispiel von Schweinen auf Spaltenböden. Dazu machen sie Videos und Fotos.

Der Bauernbund läuft gegen diese Aktionen seit Jahren Sturm und fordert, sie unter strafrechtliche Sanktion zu setzen. Das türkis-blaue Regierungsprogramm sah eine "Ausweitung des Schutzes auf Eigentum und Hausrecht insbesondere auch gegen das illegale Eindringen in Stallungen" vor.

"Jahrzehntelange" Diskussionen

Die Angelegenheit sei weit umfassender, der Hausfriedensbruch-Paragraf harre bereits "jahrzehntelang" einer Novellierung, wirft hier der Strafrechtsexperte Helmut Fuchs ein. In den Erläuterungen zum ÖVP-Abänderungsantrag führt er etliche Gründe an.

Bei den Neos erntet er Verständnis: "Grundsätzlich können wir gerne darüber reden, das Gesetz zu verbessern, da gibt es Lücken." Sollte der Tatbestand aber ausgeweitet werden, "dann nur mit ausreichender Debatte und Begutachtung".

Antrag abgelehnt

Diese gingen vergangene Woche auch den anderen Parlamentsfraktionen ab: Der ÖVP-Abänderungsantrag wurde von SPÖ, FPÖ, Neos und Jetzt abgelehnt. Im ÖVP-Klub ging man am Donnerstag aber davon aus, dass man in der neuen Legislaturperiode einen weiteren Anlauf zur Paragraf-109-Reform starten werde. (Irene Brickner, 4.10.2019)