Ganz ehrlich: Wer schluckt schon gerne Medikamente mit Nebenwirkungen, wer mag Therapien, die weh tun können und Ärzte, die einen anfassen, im Bauch herumstirln oder einen gar aufschneiden? Der Ausweg aus der unsensiblen, kalten Kontakt- und Schulmedizin lautet: Fernheilung. Man erspart sich lange Reisen zum Heiler seiner Wahl und dem Heiler jeglichen intimen Kontakt zu uns und unseren Körpersäften und Ausdünstungen. 

Die Stiftung Gurutest hat sich umgesehen und präsentiert drei – sehr unterschiedliche – Fernheiler. Da ist für jeden Geschmack und für jede Geldbörse etwas dabei. 

Michael Riße: Heiler mit direktem Draht zu Gott 

Ein schlichtes hölzernes Kreuz in zarten Händen, so begrüßt einen der Heiler Michael Riße auf seiner Webseite – er ist selbstredend "einer der besten Heiler der Welt". Man möchte jetzt nicht übermütig nachfragen, bei welchen Turnieren die Weltbestenrangliste der Heiler erstellt wird, es interessiert vielmehr der Werdegang zum Heiler. Riße, dessen Internetauftritte zu einer Heilerhomebase sowohl in Wuppertal als auch in Neudörfl führen, verrät, wie er im Alter von 30 Jahren die in ihm schlummernden und göttlichen Kräfte entdeckte: Als ein Vogel gegen die Scheibe flog und benommen darniederlag. Riße – damals noch ohne den Zusatz "Heiler" – hob das Federvieh auf und augenblicklich durchströmte ihn "ein unglaubliches Gefühl der Fürsorge, Wärme und Liebe. (...) Mein einziges Interesse bestand darin dem verletzten Tier zu helfen." Wir können es jetzt verraten: Der Vogel öffnete die Augen, blickte Michael an, spannte seine Schwingen und flog von dannen. Und so wurde aus Michael Riße der Heiler Michael.

Freilich, auch ein Heiler kann nicht bloß von der Dankbarkeit seiner gefiederten Freunde leben. So heilt Heiler Michael heute gegen einen kleinen Obolus mittels "Fernheilung" Menschen mit mittelschweren und schweren Krankheiten. Eine Anfrage zur Fernheilung nach einem Darmkarzinom und einer Operation beantwortet Riße nach zwei Tagen per E-Mail: Er will mir helfen, und nach "göttlichem Recht" hätte ich ohnehin "das Recht, heil zu sein." Er schreibt: "Schon Jesus sagte, dein Glaube hat dich geheilt. Ich möchte Ihnen 10 Fernheilbehandlungen für insgesamt 599 Euro anbieten." Sofort nach Zahlungseingang beginne er mit der Fernbehandlung, er brauche nur meinen Namen und meine Anschrift, die Adresse von seinen himmlischen Helfern hat er offenbar schon: "Die geistige Welt bekommt durch mich ihre Daten und ihren Wunsch auf Heilung."

Nicht nur, wenn es körperlich wo zwickt, ist Heiler Michael – "Einer der wenigen, wirklich guten Wunderheiler" (Michael über Michael) – zur Stelle: Die "Partnerzusammenführung" bucht der Liebeshungrige um 350 Euro, und er ist gut beraten, auch das "Treueritual" (295 Euro) in den Warenkorb zu legen, um nicht später einmal das Angebot "Liebeskummer und Fluchauflösung" (290 Euro) in Anspruch nehmen zu müssen. Aus der eher profaneren Ecke ist das Modul "Schutz, Geld und Wohlstand". Wessen Wohlstand und Geld ist da wohl gemeint? Zunächst fließen jedenfalls 395 Euro aus der eigenen in des Heilers Tasche.

Fazit der Stiftung Gurutest: Ein Fernheiler für Menschen, die einen bodenständigen Heiler mit dem Charisma eines Nebendarstellers in einem Kottan-Krimi suchen.

Per Fernheilung macht sich keiner die Hände schmutzig.
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Ira Wolff: Heilerin mit Jet-Set-Attitüde

Aus ganz anderem Holz geschnitzt ist Ira Wolff. Auch Wolff reklamiert sich ohne falsche Bescheidenheit in die Champions League der Heiler: "Ira Wolff ist eines der wenigen, echten spirituellen Medien der Welt." Auf ihrer Webseite empfängt uns ein professionelles Video, das den Charme der Bourgeoisie nicht gerade diskret zu vermitteln versucht: Wolff im Rolls Royce, ihr Chauffeur trägt Handschuhe, Wolff trappt auf goldenen Stöckelschuhen, sie empfängt edles Klientel im edlen Penthouse mit edlem Interieur und hat edle Kleidung an. Ich bin kein Modeblogger, aber ich trau mich festzuhalten: Ihre Kostüme hat die "spirituelle Heilerin" nicht bei H&M gekauft. So eine Lady macht sich nicht die Hände schmutzig bei der Heilung von Kranken. Auch aus der Ferne verspricht sie bei Leiden von Alkoholismus über Burnout, Alzheimer und Nieren- bis zu Bandscheibenproblemen zu helfen. "In manchen Fällen kann es für das Endergebnis sogar besser und für mich in der Arbeit deutlich einfacher sein, wenn es keinen persönlichen Kontakt oder Bezug gibt. (...) Auch wenn Sie also weiter weg wohnen oder Ihnen z.B. aus gesundheitlichen Gründen kein persönlicher Besuch möglich ist, bietet die energetische Fernübertragung wunderbare Möglichkeiten mit fantastischen Ergebnissen."

Die fiktive Anfrage zur fernheilenden Begleitung einer Darmkrebserkrankung beantwortet sie per E-Mail prompt persönlich: "Meine Geist bzw. Fernheilung lege ich den meisten Menschen ans Herz, ganz besonders bei der von Ihnen beschriebenen Thematik. (...) Für zwei Wochen intensive Hilfe bitte ich um einen Betrag von 980 €." 

Reichtum und Geld seien laut Wolff, die auch "spirituelle Unternehmensberatung" anbietet, zu Unrecht übel beleumdet: "Schließen Sie nicht nur Frieden, sondern Freundschaft mit der Energie des Geldes, dann kommt sie und bleibt auch." 

Fazit der Stiftung Gurutest: Ein Fernheilerin für eher bürgerlich orientierte Overachiever, die eine sehr offensiv zur Schau gestellte Oberschichtsattitüde nicht stört. 

Hans-Georg Burkhard: Per Fernheilung auf die Sonnenseite des Lebens wechseln

Wer nicht gleich die Katze im Sack kaufen will, für den hat der Schweizer Hans-Georg Burkhard ein feines Angebot. Einen Monat lang kann man unverbindlich und kostenlos ein Fernhilfeprobemonat testen. In einem Internetformular wählt der Patient aus Distanz, aus einer langen Liste mit Krankheiten, Übel und Freuden drei "Fernheilwünsche" aus – egal ob es sich um "Vermögen aufbauen", "Migräne" oder um "Panikattacken" handelt. Und schon haut sich Burkhard einmal täglich in Sachen Fernheilung ins Zeug – zumeist am Vormittag, und wie der Heiler versichert, auch wenn er auf Reisen oder in den Ferien ist. Kaum ist man als Novize registriert, erhält man per Mail Anweisungen, wie man zu Burkhards Bemühungen schön in Resonanz gehen soll: "Schliessen Sie jetzt die Augen. Atmen Sie tief und ruhig und lassen Sie sich fallen wie einen nassen Waschlappen." 

Wer intensiver betreut werden möchte, der bucht besser gleich das Intensiv-Fernhilfeprobemonat für Neukunden. Für 150 Euro im Monat kniet sich der diplomierte Landwirt Burkhard dann drei Mal täglich für den Zahlungswilligen auf der Suche nach Glück, weniger Kopfschmerzen oder mehr Geld im Börsel ins Zeug. "Wenn Sie also die Lust und die Bereitschaft haben, auf die Sonnenseite des Lebens zu wechseln, dann sind Sie bei mir richtig. Gerne hole ich Sie mental dort ab, wo Sie gerade stehen – auch wenn dies in einer noch so aussichtslos scheinenden Situation sein sollte." 

Fazit der Stiftung Gurutest: Das ist authentische, unaufgeregte und bodenständige Fernheilung mit einem fairen Angebot. Ideal für Pechvögel, die einfach mal auf die Sonnenseite des Lebens wechseln wollen. (Christian Kreil, 10.10.2019)

*Update vom 10.12.: Das Gesundheitsamt Deutschland hat Michael Riße darauf aufmerksam gemacht, dass er nicht mehr mit Fernheilung werben darf. Zur Zeit der Recherche hat Riße dies aber noch angeboten. 

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