Diskonter Lidl – hier das Konzept der Basisfiliale – war auch auf der Expo Real 2019 als Großaussteller zu finden.

Foto: Lidl

Selbst in den kleinsten Ortschaften Deutschlands ist die Veränderung kaum zu übersehen. Wo vor einigen Monaten noch hässliche Betonbauten mit einer schlichten Leuchtreklame an der Fassade standen, prangen nun moderne Paläste mit elegant aussehender Glasfront. Was sich anhört wie ein Austausch von Diskontern gegen Apple-Stores, ist in Wahrheit ein Austausch von Diskontern gegen Diskonter. Lidl, Aldi Süd (in Österreich Hofer) und Co versuchen seit Jahren, ihr Billigimage in Deutschland loszuwerden.

Zwar ist die Architektur, sowohl innen als auch außen, grundlegend gleich geblieben. Meist sind es rechteckige, platzeffiziente Gebäude, die im Einkaufsbereich aus langen Gängen samt Regalen voller Produkte bestehen. Doch die Aufmachung ist eine andere. Die Glasfront, die zum Repertoire fast jeder neuen Diskonterfiliale gehört, sieht nicht nur schick aus, sie soll auch ihren Zweck erfüllen, Transparenz, Offenheit, Helligkeit bringen.

Die Supermarktisierung

Doch das ist nur ein Teil der Veränderungen. "Supermarktisierung" nennt das der deutsche Einzelhandels- und Discounter-Experte Matthias Queck. Denn das ist das angedachte Ziel.

Die Zeiten, in denen eine Diskonterfiliale nur ein Zwischenstopp war, sollen vorbei sein. Das Sortiment wird mit der Zeit so erweitert, dass der Trip zu Lidl oder Aldi ausreicht, um den langen Einkaufszettel abzuarbeiten. Das bereits bestehende Sortiment erweitern die Diskonter um frische Optionen und Alternativen. Obst und Gemüse, Backwaren und Fleisch und Fisch, frisch abgepackt, sollen dem Trend der Kunden zu nachhaltigem und gesundem Lebensstil nachkommen. Dazu kommt das neue Angebot an Dienstleistungen; beispielsweise die Kaffeeautomaten im Ein- und Ausgangsbereich oder die Auslage mit Snacks zum Mitnehmen oder zum sofortigen Verzehr.

Alles für den Wachstum

Der Grund für diesen Imagewandel liegt auf der Hand. Die Diskonter haben eine Grenze erreicht, zumindest in Europa. Besonders in Deutschland ist fast jedes Dorf mit einem Aldi oder Lidl ausgestattet. Wenn also keine neuen Filialen mehr gebraucht werden, müssen die alten überarbeitet werden, um zu wachsen.

Abgewälzt wird dieser Wandel bedingt auf den Kunden. Zwar bleibt das Basissortiment preislich meist unangetastet. Dafür sollen die qualitativ höherwertigen Produkte diese Investitionen wieder einfahren.

Auch an Österreich geht dieser Imagewandel nicht spurlos vorüber. Im Vorjahr eröffnete in Wiens drittem Bezirk eine Hofer-Filiale mit einer Fläche von 319 Quadratmetern. Der durchschnittliche Diskonter hat eine Fläche von rund 1000 Quadratmetern, in Innenstädten beginnt Lidl bei einer Fläche von 650 Quadratmetern. Für Queck ein klares Signal: "Auf einer Fläche von 319 Quadratmetern ist es fast nicht möglich, einen Diskonter zu betreiben."

Es wird unkonventionell

Doch die Unternehmen überlegen sich auch neue Wege, um ihre modernen Filialen Investoren so schmackhaft wie möglich zu machen. Die sogenannten Metropolfilialen von Lidl können gleich mit Büro- oder gar Wohnräumen in den Obergeschoßen zusammen gebaut werden. Außerdem sind die Diskonter sogar dazu bereit, Filialen an unbeliebten Standorten zu bauen. Historische Gebäude sind dafür ein Beispiel. Hier müssen die Unternehmen massig Arbeit reinstecken, um meist sanierungsbedürftige Bauten in ihre Diskontertempel zu verwandeln.

Die Zeit der klassischen Diskonter scheint vorbei. Mit neuem Design, das an Apple-Stores, und Konzepten, die an Supermärkte erinnern, wollen Lidl, Aldi Süd und Co ihr stagnierendes Wachstum wieder vorantreiben. Und auch den Kunden scheint das zu gefallen: "Es wird eben eher auf Nachhaltigkeit gesetzt als auf den wirklich günstigsten Preis", sagt Queck. Es wird also beim Anblick der Apple-Stores bleiben. Nur dass es im Inneren wirklich Äpfel gibt. (Thorben Pollerhof, 10.10.2019)