Immer öfter protestieren deutsche Mieter. In Berlin gibt es mittlerweile "für fast jeden Kiez eine eigenen Bewegung".

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Deutsche Krankenhäuser haben einen Fachkräftemangel, besonders in der Pflege. Das ist kein Geheimnis. Auch im Klinikum der Universität München nicht, das im Stadtteil Hadern liegt. Häufiger Kündigungsgrund: zu hohe Mieten.

Ein "Auseinanderbrechen des sozialen Gefüges" nennt das Tilman Schaich von der Initiative "Ausspekuliert" und meint damit den Wohnungsmarkt in München. Mit einem Pflegergehalt könne man sich eben keine Wohnung in München leisten, nirgendwo. Aber woran liegt das?

Extrem hohe Bodenpreise in München

"In erster Linie ist der Wohnungsmarkt in München kaputt, weil die Bodenpreise in den letzten Jahren noch extremer in die Höhe geschnellt sind", sagt Schaich, der das am eigenen Leib erlebt und sich seit Jahren gegen geplante Modernisierungen wehrt. Im Zuge dessen hatte er die Idee, sich mit anderen Mietern zusammenzuschließen, um eine größere Kraft zu werden. Nun veranstaltet er über seine Initiative regelmäßig einen sogenannten "Mieterstammtisch", bei dem Betroffene zusammenkommen, um von ihren Erlebnissen mit Vermietern und Investoren zu berichten.

Kein "Recht auf Rendite"

Hinzu kam ein großer Mieterprotest mit mehr als 10.000 Teilnehmern im vergangenen Jahr. Alles Mittel, um das Problem auf die politische Agenda zu bringen. Die Maßnahmen, die von dort zurückkommen, beispielsweise die Mietpreisbremse oder der in Berlin geplante Mietendeckel, begrüßt er zwar, es gebe aber nur eine wirklich wirksame: "Bodenspekulationen müssen verboten werden, es gibt kein ,Recht auf Rendite'."

Dass der letzte Mieterprotest schon ein Jahr her ist, hat seine Gründe. "Ausspekuliert" läuft auf ehrenamtlicher Basis, die Organisation erfordert viel Arbeit. "In München gibt es leider sehr wenige Initiativen. Anders als in Berlin, da gibt es ja fast für jeden Kiez eine eigene Bewegung", sagt Schaich.

"Deutsche Wohnen & Co enteignen"

Beispielsweise die umstrittene "Deutsche Wohnen & Co enteignen". Der Plan: Wohnungseigentümer mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen und diese Bestände in das Gemeineigentum überzuführen. Laut einer Rechnung des Berliner Senats wären davon zehn Immobilienfirmen betroffen, insgesamt fast 250.000 Wohnungen. Die Idee entstammt dem deutschen Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 15: "Grund und Boden (...) können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz (...) in Gemeineigentum (...) überführt werden." Wichtig dabei: Das ist nur zum Wohle der Allgemeinheit und mit einer entsprechenden Entschädigung möglich. Und besonders die Entschädigung ist es, was Kritikern bei dieser Initiative sauer aufstößt. Wer soll das bezahlen?

Ausgetüftelte Modelle

"Wir schlagen die Schaffung einer Anstalt öffentlichen Rechts vor", sagt Ralf Hoffrogge, Mitinitiator der ersten Stunde. Sie soll zuerst Schulden machen, um die Wohnungen zu kaufen, und dann in einem Non-Profit-Modell alle Einnahmen reinvestieren. "Man vergisst hier gerne, dass es sich um Mietwohnungen handelt. Natürlich bringen die Geld ein."

Bisweilen wird die Initiative belächelt. Doch Hoffrogge ist selbstbewusst: "Wir sind keine Debattier- oder Diskurskampagne. Wir machen das, weil wir das durchsetzen wollen."

Sollte die Initiative greifen, wäre das eine Alternative für andere Städte. Auch für München, die Universitätsklinik auf ihrer Suche nach geeignetem Fachpersonal und das soziale Gefüge der bayerischen Landeshauptstadt. (Thorben Pollerhof, 05.10.2019)