Grüne Regierungsbeteiligungen zur Ansicht gibt es in Vorarlberg, in Tirol, in Oberösterreich und in Salzburg – dort sind auch die Neos mit im Koalitionsboot. "Dirndlregierung" wird das Modell genannt.

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Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (links, ÖVP) mit seinem Koalitionspartner, dem grünen Landesrat Johannes Rauch.
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Pragmatismus in Vorarlberg

Zwei der sieben Regierungssitze im Bregenzer Landhaus haben seit 2014 im Ländle die Grünen inne. Die Parteichefs Markus Wallner (VP) und Johannes Rauch (Grüne) können miteinander. Selbst bei der Elefantenrunde, zehn Tage vor der Landtagswahl, traten sie quasi im Doppelpack auf. Eher künstlich wirkte der kleine Disput, den Landeshauptmann und Umweltlandesrat zum geplanten Bau der S18 austrugen, einer Transitroute zwischen Vorarlberg und der Schweiz.

Pragmatismus prägt die Regierungspartnerschaft, die Rauch von Anfang an als ein über eine Legislaturperiode hinausgehendes Projekt angelegt hat. Die Strategie der Grünen bei strittigen Straßenbauprojekten ist eine des unaufgeregten Aussitzens. Man weiß ja inzwischen, dass sich Großprojekte über Jahrzehnte ziehen können. Dafür kommt Lob von der Volkspartei. Sagt Rauch, er habe den öffentlichen Verkehr ausgebaut, bekommt er von Wallner sogar im Vorwahldisput ein anerkennendes Kopfnicken.

Bei weitreichenden legistischen Entscheidungen, beispielsweise beim neuen Raumplanungsgesetz, kann sich die Volkspartei wiederum auf die Kompromissbereitschaft des Juniorpartners verlassen. Widerstand wird der außerparlamentarischen Opposition überlassen. Die Grünen nehmen den Ball dann auf oder auch nicht. Wie das ihre Wählerschaft beurteilt, wird sich am 13. Oktober zeigen. Gescheitert ist Schwarz-Grün beim Hauptthema der Regierungsvereinbarung 2014, der Modellregion Gemeinsame Schule. Die Begründung ist einfach und bewährt sich in jeder Politikergeneration: Wien ist schuld.

Die Salzburger Landesregierung (v.l.): Stefan Schnöll (ÖVP), Andrea Klambauer (Neos), Heinrich Schellhorn (Grüne), Wilfried Haslauer (ÖVP), Maria Hutter (ÖVP), Josef Schwaiger (ÖVP) und Christian Stöckl (ÖVP).
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Schweigegelübde in Salzburg

Im Land Salzburg sitzen die Grünen seit 2013 mit der ÖVP in einer Koalitionsregierung. Allerdings in völlig unterschiedlichen Konstellationen: 2013 bestand die Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und dem Team Stronach. Seit 2018 sitzen ÖVP, Grüne und Neos auf der Regierungsbank. Auch die Kräfteverhältnisse haben sich grundlegend verschoben: 2013 waren die Grünen nach dem Spekulationsskandal auf rund 20 Prozent hochgeschnellt, die ÖVP stürzte auf rund 29 Prozent ab. Schwarz wie Grün stellten je drei Regierungsmitglieder. 2018 fielen die Grünen nach einer von vielen Wählern als enttäuschend empfundenen Performance in der Landesregierung auf neun Prozent, die ÖVP konnte den Regierungsbonus voll nutzen und erreichte fast 38 Prozent. Die Grünen haben nur noch einen Regierungssitz, die ÖVP fünf.

Dass die ÖVP ihre Machtposition in Salzburg derart festigen konnte, liegt – neben den Auflösungstendenzen bei SPÖ und FPÖ – am schwarz-grünen Koalitionscredo "Keine Debatten in der Öffentlichkeit". Gestützt auf dieses Schweigegelübde, ist es Wilfried Haslauer II gelungen, die ÖVP quasi als Alleinregierungspartei zu positionieren. Auch wenn die Grünen den einen oder anderen Detailpunkt – etwa in Raumordnungsfragen oder beim Luftreinhalteprogramm an der Salzburger Stadtautobahn – einbringen konnten.

Dass es so selten Widerspruch vonseiten der Grünen gibt, liegt freilich auch am von den Grünen intern immer wieder strapazierten Damoklesschwert FPÖ: In vielen Bereichen wäre es mit Schwarz-Blau sicher in die diametral entgegengesetzte Richtung gegangen, sagt Landesparteigeschäftsführer Simon Heilig-Hofbauer.

Grünen-Landesrat Rudi Anschober (links) und der ehemalige oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP).
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Pioniere in Oberösterreich

Wenn die Grünen jetzt am Sondierungstisch Platz nehmen, wird wohl dieser Mann nicht fehlen: Rudi Anschober. Der 59-jährige Oberösterreicher verfügt über ausreichend ÖVP-Erfahrung. Schwarz-Grün unter Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) in Oberösterreich war 2003 die erste grüne Koalitionsbeteiligung auf Landesebene. Beachtliche zwölf Jahre hielt die Zusammenarbeit. Die Grünen wurden 2003 relativ unvorbereitet von der Oppositionsbank ins Regierungsamt katapultiert. Die Spitzen von ÖVP und SPÖ konnten einander nach einer heftigen Wahlschlacht kaum mehr in die Augen sehen. Pühringer beendete die Gespräche mit den Roten und wählte ins "Grüne Haus" durch.

Die Verhandlungen forderten beide Seite: Die grüne Basis rebellierte gegen eine Zusammenarbeit mit der "Schüssel-ÖVP", auf schwarzer Seite hatte die Bundespartei massive Bedenken. Wie wenig man vom Gegenüber wusste, wurde rasch klar. Das schwarze Team reiste aus Imagegründen mit der Straßenbahn zu den Grünen. Für die Verhandlungen im schwarzen Gleißnerhaus wurde noch rasch grüner Tee besorgt. Trotz aller Hürden gelang der Pakt.

Entscheidend für das durchaus erfolgreiche Pionierprojekt waren die handelnden Personen. Machtmensch Pühringer konnte auf persönlicher Ebene gut mit dem Konservativ-Grünen Anschober. Die kritische Begleitmusik aus den grünen Reihen verstummte freilich nie ganz. Viele sahen über die Jahre die grüne Handschrift verblassen und Anschober mehr und mehr in Demutshaltung vor der ÖVP. Mit der Umfärbung der politischen Landschaft auf Schwarz-Blau nach der Landtagswahl 2015 fand die schwarz-grüne Übereinkunft ein jähes Ende.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit seiner Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne).
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Kompromisse in Tirol

Als im Frühjahr 2018 die Neuauflage der schwarz-grünen Koalition in Tirol besiegelt wurde, standen Ingrid Felipe und ihr Team mit dem Rücken zur Wand. Auf Bundesebene hatte Felipe die Niederlage bei der Nationalratswahl 2017 mitzuverantworten. Im Land selbst mussten die Grünen in fünf Jahren als Juniorpartner der übermächtigen VP viele unpopuläre Entscheidungen mittragen, etwa Kürzungen im Sozialbereich. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass das grüne Minus von knapp zwei Prozentpunkten und das Abrutschen auf Platz vier dennoch wie ein Sieg gefeiert wurden. Zugleich fuhr Landeshauptmann Günther Platter mit fast 45 Prozent einen Triumph ein.

Mit den Grünen zu regieren habe der VP nicht geschadet, erkannte Felipe damals richtig. Umgekehrt verhielt sich das jedoch anders. Für das Fortführen der Koalition bezahlten die Grünen einen hohen politische Preis. Die VP beschnitt ihre Befugnisse, besonders beim Umweltschutz, empfindlich. Zugleich wurde der medienwirksame Kampf gegen den Transit von Platter zur Chefsache erklärt, obwohl eigentlich Felipe für die Verkehrsagenden zuständig ist.

Zudem mussten die Grünen lernen, dass Mitregieren Risiken birgt. Ihre ehemalige Soziallandesrätin Christine Baur war kein personeller Glücksgriff. Seit dieser Woche beschäftigt sich ein U-Ausschuss im Landtag mit den Scherben, die sie im Flüchtlingswesen hinterließ. Felipe wie auch Platter sehen Tirol nicht als Modell für den Bund. Dort ist die ÖVP zu türkis für die Grünen, die nach ihrem jüngsten Wahlerfolg wohl zu selbstbewusst sind, um sich zu unterwerfen, wie sie es in Tirol tun. (Jutta Berger, Thomas Neuhold, Markus Rohrhofer, Steffen Arora, 5.10.2019)