Der Mitbegründer der Grünen und langjährige Tiroler Landtagsabgeordnete Franz Klug beschreibt in seinem Gastbeitrag, unter welchen Bedingungen Türkis-Grün gelingen kann.

Da die Grünen aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen, vor allem in den Bereichen der Umwelt-, Sozial-, Flüchtlings- und Transparenzpolitik, andere Auffassungen als die ÖVP haben, ist es klar, dass sie auch gut in die Opposition gehen können und ein Mitregieren um jeden Preis nicht notwendig ist.

Wenn die Kurz-ÖVP wirklich bereit ist, mit den Grünen ernste Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, wären folgende Punkte zu berücksichtigen, um zu verhindern, dass diese historisch erstmalige Koalition in Österreich nicht frühzeitig scheitert:

1: Eine klar vereinbarte Programmatik, in der sich beide Parteien wiederfinden.
2:
Ein ministeriales Personaltableau, welches das Gemeinsame in den Vordergrund stellt und nicht die eitle Selbstinszenierung.
3.
Ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis.

Programmatisch ist für die Grünen das Wichtigste der Klimaschutz und eine saubere Politik. Beim Klimaschutz heißt das, dass es, auch wenn die ÖVP weiterhin gegen eine CO2-Steuer ist, Milliardeninvestitionen im Klimabereich braucht, um die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen. Eine echte Solaroffensive mit einem Eine-Million-Dächer-Programm muss endlich eingeleitet und umgesetzt werden. Und natürlich braucht es auch die Milliarden und Maßnahmen, die im Klimaschutzvolksbegehren gefordert werden.

Minister ohne Allüren

Während beim Klimaschutz die ÖVP den Grünen stark entgegenkommen muss, wird es in der Flüchtlingspolitik notwendig sein, dass die Grünen hier der ÖVP entgegenkommen, ohne ihre humanen Grundsätze über Bord zu werfen. Es wird Kompromisse geben müssen und weil inzwischen der politische Kompromiss als Verrat angesehen wird, ist es notwendig, dass dieser Kompromiss dann auch gut begründet nach innen und außen kommuniziert wird.

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Der eine vorn, der andere hinten – und umgekehrt. Mit ein bisschen gutem Willen beiderseits spricht allerdings nichts gegen einen Kanzler Kurz und einen Vizekanzler Kogler.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Da vor allem in der Medienöffentlichkeit die Minister eine zentrale Rolle spielen, ist darauf zu schauen, dass hier Menschen zum Zug kommen, denen es um die Sache geht. Menschen, die eben nicht als schrille Selbstdarsteller in den Medien glänzen wollen. Dafür sind die Grünen bestens aufgestellt. Neben Werner Kogler als Vizekanzler und Wirtschaftsminister gibt es eine ausgezeichnete Frauenriege. Astrid Rössler hat bereits Regierungserfahrung und könnte sehr gut das Verkehrsministerium leiten. Leonore Gewessler ist als ehemalige Global-2000-Chefin prädestiniert für das Nachhaltigkeitsministerium. Eva Blimlinger hat bereits Universitätsleitungserfahrung und wäre daher bestens geeignet für das Bildungsministerium. Sybille Hamann, die sich als Journalistin die Finger wundgeschrieben hat für mehr Frauenrechte, wäre sicher eine gute Frauenministerin und Ulrike Lunacek, mit großer Auslandserfahrung und hervorragenden Sprachkenntnissen, eine sehr gute Staatssekretärin im Außenministerium.

Vertrauensverhältnis

Unabhängig davon, wie gut eine mögliche Personalbesetzung ausfällt, ist es ganz wichtig, dass zwischen beiden Teilen ein Vertrauensverhältnis besteht, welches verhindert, dass die Medien die Koalitionspartner laufend gegeneinander ausspielen können. Da die Menschen außerhalb der Politik nicht an einem Streit in der Regierung interessiert sind, sondern daran, was die Regierung konkret umsetzt, braucht es ein Vertrauensverhältnis zwischen den Spitzen, damit mögliche Konflikte immer gemeinsam ausgeräumt werden können, ohne dass ein großer öffentlicher Widerstreit ausbricht. Für den notwendigen politischen öffentlichen Widerstreit ist eigentlich die politische Opposition zuständig und nicht die Regierung, auch wenn die erregungssüchtigen Medien am liebsten über Konflikte innerhalb einer Regierung berichten.

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", schrieb einst Hermann Hesse. Damit der Zauber eines schwierigen, aber möglichen neuen politischen Anfangs bei den Grünen möglichst breit getragen wird, wäre es sinnvoll, eine Urabstimmung über die Koalitionsvereinbarung zu machen. Zeitlich ist das gut organisierbar, ohne dass der ganze Verhandlungsprozess, wie bereits kolportiert, bis Ostern dauert. Wenn Anfang Jänner ein Koalitionsabschluss erfolgt und dann Anfang Februar Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler übergibt, dann passt das schon. (Franz Klug, 4.10.2019)