Erst vor wenigen Jahren wurde das Gugl-Stadion um 32 Millionen Euro schön hergerichtet. Jetzt wird der Steuerzahler schon wieder zur Kasse gebeten. Ein Neubau kommt.

Foto: GEPA pictures/ Josef Bollwein

Man informiert die Betroffenen nicht, überrumpelt sie mit einer öffentlichen Verkündigung, wundert sich über die entstandene Aufregung, kündigt Ersatzlösungen an und übt sich dann im Hinhalten. Was seit knapp drei Monaten auf der Linzer Gugl passiert, ist ein gutes Beispiel dafür, wie hierzulande nicht selten mit dem Sport verfahren wird. Der Sport, in dem Fall die Leichtathletik, muss übersiedeln, weg von der Gugl, wohin auch immer. Das hatten die zuständigen Politiker, Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), am 3. Juli verkündet. Denn auf der Gugl entsteht ein neues, reines Fußballstadion, ein Stadion also ohne Laufbahn, ohne Leichtathletik. Kostenpunkt: geschätzte fünfzig Millionen Euro.

Die Verkündigung unter dem Titel "Umfassendes Sport-Infrastrukturpaket für OÖ und Linz geschnürt" war überaus kurzfristig angesetzt worden, nur wenige Stunden vor dem Termin. Das mussten die, abgesehen vom Fußball, überraschten Sportarten – die Gugl dient nicht nur der Leichtathletik, sondern u. a. auch dem Triathlon, Eishockey, Judo, Faustball, Tennis, Biathlon, Langlauf und Behindertensport – als Affront empfinden. Der Zeitpunkt an sich war nicht schlecht gewählt. Schließlich steht der LASK, der ein Baurecht und für 80 Jahre das alleinige Nutzungsrecht in Linz bekommt und ab 2022 auf der Gugl spielen will, als Vizemeister und mittlerweile auch international gut da.

Großer Wurf für den Fußball

Doch sein Heimstadion steht derzeit und noch bis 2021, wenn der Pachtvertrag ausläuft, in Pasching. Das hat auch mit der Fußball-Heim-EM 2008 zu tun, die nicht nur an der zweitgrößten Stadt Österreichs (Graz), sondern eben auch an der drittgrößten (Linz) vorbeilief – wohingegen die sechstgrößte (Klagenfurt) nun über ein Stadion verfügt, das niemand braucht. Jörg Haider wollte dieses Stadion und bekam es auch. Österreich halt.

In diesem Licht mag verständlich erscheinen, dass sich das Land Oberösterreich und die Stadt Linz nun darauf verständigten, dem LASK die Rückkehr nach Linz zu ermöglichen. Die Stadt, ohnedies klamm, erspart sich die Stadionerhaltungskosten. Auch Landeshauptmann Stelzer nannte die Entscheidung einen "großen Wurf vor allem für Sportler und Sportbegeisterte". Er hätte auch "Fußball und Fußballbegeisterte" sagen können. Alle anderen schauen, zumindest vorderhand, durch die Finger. Allein drei Leichtathletik-Vereinen dient die Gugl (noch) als Heimstätte. Auch Nachwuchsevents wie der fast schon traditionellen Kindergartenolympiade für 4000 Kinder droht das Aus. Dem Olympiazentrum, das auf der Gugl untergebracht ist, wird der Boden vielleicht nicht unter, aber neben den Füßen weggezogen.

Der Aufschrei im Leichtathletik-Lager kam nicht überraschend. Schließlich ist Oberösterreich eine, um nicht zu sagen: die Leichtathletik-Hochburg Österreichs. Hier finden die meisten Meetings statt, es ist auch kein Zufall, dass die drei derzeit herausragenden Aktiven allesamt aus Oberösterreich stammen. Der Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger und die Siebenkämpferin Verena Preiner holten dieser Tage bei der WM in Doha jeweils Bronze, auch Preiners Kollegin Ivona Dadic, die bei der WM verletzt ausschied, zählt zur absoluten Weltspitze.

Enttäuschte Stars

Weißhaidinger sah ein "Zerstören der Wirkungsstätte vieler Sportlerinnen und Sportler". Und er erinnerte daran, "dass die Gugl 67 Jahre lang eine Leichtathletik-Heimstätte war", und an das legendäre Meeting, das von 1988 bis 2008 große internationale Namen auf die Gugl gebracht hat. Dadic: "Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie hier vorgegangen wird." Die Gugl ist in Österreich die einzige vom Leichtathletikweltverband (IAAF) zertifizierte Class-A-Anlage, auf der große internationale Meetings stattfinden können.

Klar ist, dass der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Schon wieder. Erst vor kurzem, von 2010 bis 2012, war die Gugl nicht zuletzt mit einem Tribünendach schön hergerichtet worden. Um 32 Millionen Euro. Ein Insider, der anonym bleiben will, weil "in Linz jeder mit jedem verbandelt" sei, erwartet in dem Zusammenhang "einen Rechnungshofbericht, der sich gewaschen haben wird". Seit der Renovierung fanden im Stadion circa 200 Fußballspiele statt. Wenn es nun einem LASK-Neubau weichen muss, kann man sich ausrechnen, dass in jedes dieser Fußballspiele allein aus den seinerzeitigen Renovierungskosten mehr als 150.000 Euro geflossen sind.

Stefan Bachl ist Sportdirektor des oberösterreichischen Leichtathletikverbands (OÖLV) und um Konstruktivität bemüht. Nur zu jammern und sich aufzuregen bringe gar nichts. "Uns ist schnell klar geworden, dass die Gugl verloren ist", sagt er. "Ich muss ja verhandeln, und die zuständigen Stellen bemühen sich auch wirklich. Wenn nichts G' scheites rauskommt, können wir immer noch aufstehen und schreien."

Alternative Standorte

Bachl verhandelt vor allem mit Sportlandesrat Markus Achleitner (ÖVP), schon zwei Tage nach der Neubau-Verlautbarung hatte man gemeinsam formuliert, man wolle "der Leichtathletik auch künftig beste Infrastrukturbedingungen in Oberösterreich anbieten". Seither machen Gerüchte die Runde. Da heißt es, das Stadion in Traun könnte IAAF-Meeting-tauglich adaptiert werden, dort gibt es schon eine LA-Anlage, die nur ausgebaut werden müsste, vor allem durchgängige acht Laufbahnen würde es brauchen. Und es heißt, diverse alternative Trainingsstätten in Linz sollen renoviert und erweitert werden. "Am Ende des Tages stehen wir vielleicht sogar besser da als heute", hofft Bachl.

Michaela Anzinger, Obfrau des LA-Vereins ATSV Linz, hat eine Petition "zum Erhalt der achtbahnigen Laufbahn und der LA-Anlagen im Linzer Stadion" initiiert, mehr als 5200 Menschen unterschrieben. Anzinger betont, sie trete nicht gegen den Fußball auf. "Mir geht es um ein Mit- oder Neben- und sicher nicht um ein Gegeneinander." Die Leichtathletik sei "vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Aber wenn man dann nur ein bisserl Wind macht, ist man gleich der Böse." Sie sei und bleibe skeptisch. "Wir werden hingehalten. Es wird sich nicht ausgehen. Ich glaube nicht, dass wir rechtzeitig ein neues Stadion kriegen."

Sportlandesrat Achleitner hatte zunächst auf die "konstruktiven Gespräche" verwiesen und die Petition als "unnötig" bezeichnet. Doch vor kurzem hieß es, er wolle erst "in den nächsten drei bis vier Monaten eine Entscheidung präsentieren". OÖLV-Sportdirektor Bachl will das nicht wahrhaben, er geht von "Wochen, nicht von Monaten" aus. "Ich bin der Letzte", sagt er, "der sich über den Tisch ziehen lässt." (Fritz Neumann, 4.10.2019)