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Der Start einer U-Boot-gestützten Rakete durch Nordkorea ist für die USA kein Grund, auf Gespräche zu verzichten.

Foto: AP / KCNA

Washington/Pjöngjang – Die Ankündigung neuer Friedensgespräche mit dem Test einer potenziellen Atomrakete zu unterstreichen – das ist keine international übliche Taktik. Nordkorea allerdings hat derartige politisch-martialischen Doppeldeutigkeiten in den vergangenen Jahren zur Perfektion gebracht. Vergangene Woche lieferte Pjöngjang ein weiteres Beispiel: Nur wenige Stunden nachdem man sich mit den USA auf die lange erwartete Wiederaufnahme von Atomverhandlungen geeinigt hatte, ließ Machthaber Kim Jong-un eine U-Boot-gestützte Rakete testen.

Diesmal sehen Pjöngjangs Strategen besonders gute Gründe für ihr Handeln, das auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt. Nach Ansicht der nordkoreanischen Führung ist der Moment derzeit nämlich besonders gut geeignet, der US-amerikanischen Regierung Zugeständnisse abzuringen. Präsident Donald Trump ist durch die Ukraine-Affäre geschwächt und braucht ein Erfolgserlebnis – das weiß man, wie Berichte mehrerer Medien aus der vergangenen Woche bestätigten, auch in Pjöngjang.

Trump: "Nordkorea will reden, die USA nehmen das Gespräch auf"

Und tatsächlich ließ Trump zuletzt mitteilen, dass er auch im jüngsten Raketentest kein Hindernis für die Wiederaufnahme der Verhandlungen am Samstag sieht. "Nordkorea will reden, und die USA werden das Gespräch aufnehmen", sagte er knapp. Dabei sollte, so sagen Rüstungsexperten, besonders der jüngste Raketentest eigentlich Grund zur Sorge in Washington sein. Erstmals hat Nordkorea nämlich eine neue atomwaffenfähige Rakete gestartet, die auch von U-Booten aus abgefeuert werden kann. Damit hätte die kommunistische Regierung theoretisch eine weitere Möglichkeit, mit ihren Atomwaffen die USA zu treffen – sollte es dem Land gelingen, ein U-Boot unbemerkt in die Nähe des amerikanischen Kontinents zu bringen.

Beim eigentlichen Test wurde auf diese Abschussvariante verzichtet, stattdessen setzte Kim auf eine "Plattform im Meer". Drohung genug ist aber, mit oder ohne U-Boot, auch die tatsächliche Flugbahn des Geschoßes. Sie unterstreicht die Leistungsfähigkeit der nordkoreanischen Raketenindustrie: Nach Schätzungen südkoreanischer Militärs erreichte die Rakete eine Flughöhe von 900 Kilometern, was in etwa dem doppelten Abstand entspricht, in dem die Raumstation ISS die Erde umkreist. Sie flog allerdings nur rund 450 Kilometer weit und landete abseits der japanischen Küste. Die Botschaft aber ist klar: Wäre das Geschoß in flacherem Winkel abgefeuert worden, hätte es zumindest alle Teile Japans und natürlich Südkoreas mit Leichtigkeit erreicht. Auch der nächste Punkt der USA, Guam, ist nur 3.430 Kilometer von Nordkorea entfernt.

Trumps rote Linien

Bisher hatte Trump stets zwei rote Linien genannt: Nordkorea dürfe keine neuen Atomtests durchführen – und keine Raketen erproben, die das US-amerikanische Festland erreichen können. An Ersteres hat sich Pjöngjang bisher gehalten, bei Bau und Entwicklung neuer Atomwaffen allerdings trotzdem keine Pause eingelegt. Im Fall der Raketentechnologie tastet sich Kim Jong-un allerdings stetig vor. Mehr als ein Dutzend Tests hat er in diesem Jahr schon durchführen lassen, der jüngste kommt der roten Linie des US-Festlandes am nächsten. Dass Trump sich daran gar nicht stört, interpretiert Nordkorea offensichtlich als Zeichen der Schwäche.

Die Gespräche finden also statt – dabei ist völlig fraglich, welche konkreten Ergebnisse sie überhaupt bringen könnten. Denn die grundlegende Uneinigkeit zwischen beiden Parteien bleibt: Zwar hat man sich schon vor eineinhalb Jahren in Singapur auf das Ziel der "Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel" geeinigt. Was das heißt, darüber herrscht aber Uneinigkeit: Die USA verstehen darunter eine Abrüstung Nordkoreas, auf die dann ein Sanktionserlass folgen könnte. Nordkorea hingegen hofft auf einen Abzug US-amerikanischer Truppen aus Südkorea, gedämpfte Sanktionen – und wäre dann unter Umständen bereit, über nukleare Abrüstung zu sprechen. Bisher hat sich in dieser Frage keine Annäherung feststellen lassen. Dass Trump nun aber sowohl Ablenkung als auch positive Nachrichten braucht, scheint evident – vor allem für ein Regime, das selbst in Krisenpropaganda erfahren ist. (Manuel Escher, 4.10.2019)