Sie sind zwei und dreieinhalb Jahre alt. Und alles, was sie bisher kennen, hat den Namen Kindheit nicht verdient. Nun wird sich das ändern: Die beiden Kinder der mutmaßlich toten Sabina S., die vor fünf Jahren von Wien aus in den Jihad gereist ist, sind nun endlich in der Heimatstadt ihrer Mutter angekommen. Dort wurden sie von den Großeltern in Empfang genommen.

Dem gingen zähe Verhandlungen voran. Schon lange drängte die Großmutter darauf, ihre Enkel nach Hause holen zu dürfen. Reiste selbst in das kurdische Flüchtlingslager al-Hol, um die Kinder ausfindig zu machen. Dorthin, wo heuer bereits knapp 400 Kinder gestorben sind. Jetzt, nachdem über einen DNA-Test die Staatsbürgerschaft bestätigt worden war, wurden sie aus dem Lager geholt.

Kinder im syrischen Flüchtlingslager Ain Issa.
Foto: APA/AFP/DELIL SOULEIMAN

In Wahrheit hat es so lange gedauert, weil es politisch nicht opportun war, sich um diese Kinder zu kümmern. Zweifelsohne: Blauäugigkeit hilft niemandem. Diese Kinder kennen keinen Frieden, keine Sorglosigkeit, keine Geborgenheit. Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit schwer traumatisiert. Dass sie später nicht in eine ähnlich gefährliche Gedankenwelt wie ihre Eltern abrutschen, muss durch engmaschige Betreuung sichergestellt werden.

Gefährdung des Kindeswohls

Zumindest in einem Fall ist die Übersiedlung gelungen. Wenigstens drei weitere österreichische Kleinkinder befinden sich aber noch in syrischen Lagern. Sie sitzen noch immer dort, weil ihre Mütter noch am Leben sind. Der oft strapazierte Begriff der "tickenden Zeitbomben" hat sich in den Köpfen besorgter Bürger festgesetzt – und das betrifft sogar die Kinder. Doch für die Taten ihrer Eltern sind sie nicht verantwortlich.

Doch auch was die Erwachsenen angeht: Sich von IS-Anhängern einfach loszusagen, so wie diese es einst mit Österreich getan haben, ist für die Republik eine bequeme Position, denn es geht nicht um "importierte Gewalt". Vielmehr war es umgekehrt: Es waren Österreicherinnen, die sich hier radikalisiert haben. Sie sind dann ausgezogen, um eine Organisation zu unterstützen, welche die Bevölkerung eines fremden Landes terrorisiert. Sie haben sich, auch wenn sie nicht selbst gekämpft haben sollten, mit Zivilisationsfeinden und Mördern gemeingemacht. Deshalb ist auch die verniedlichende Rede von "IS-Bräuten" fehl am Platz.

Aber sie sind Österreicherinnen, und ihr Schicksal darf nicht den Kurden umgehängt werden. Diese Frauen samt Kindern müssen nach Österreich geholt werden. Ersteren muss hier der Prozess gemacht werden. Noch drängender ist aber die Gefährdung des Kindeswohls. Dieses kann nur hier sichergestellt werden – und die Kinder allein zurückzuholen ist nicht möglich.

All jenen, die in der Heimkehr der Mütter eine Gefahr sehen, sei gesagt: Nur auf diesem Weg kann garantiert werden, dass sich die Frauen nicht irgendwann auf eigene Faust auf den Rückweg machen – im Geheimen, ohne Betreuung und mögliche Abnahme der Kinder.(Vanessa Gaigg, 5.10.2019)