Der französische Innenminister Christophe Castaner gerät nach der Messerattacke in Paris ins Kreuzfeuer der Kritik.

Foto: APA/AFP/LUDOVIC MARIN

Paris – Die Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund des tödlichen Messerangriffs von Paris mehren sich. Die Ermittlungen hätten Anzeichen für eine "latente Radikalisierung" des Täters ergeben, teilte der für Terrorismus zuständige Staatsanwalt Francois Ricard am Samstag mit.

Auch habe der Angreifer Kontakt zu mehreren Personen gehabt, die vermutlich der radikalen Salafisten-Bewegung angehörten. Vor dem Angriff, bei dem am Donnerstag im Pariser Polizeipräsidium drei Polizisten und ein Verwaltungsangestellter getötet wurden, habe der Täter ausschließlich religiöse Textbotschaften mit seiner Frau ausgetauscht.

Religiöse Nachrichten ausgetauscht

Zwei Tage nach der Attacke wurden auch weitere Details zum Ablauf bekannt: Der Angreifer habe vor der Tat per Mobiltelefon ausschließlich religiöse Nachrichten mit seiner Ehefrau ausgetauscht. Diese tauche aber nicht in der Datei für islamistische Gefährder auf, sagte Ricard. Unmittelbar vor der Tat habe er zwei Messer gekauft, eines aus Metall und eines aus Keramik.

Sein Angriff habe nur wenige Minuten gedauert, bis er von einem Polizisten erschossen worden sei. Der Angreifer war nach Angaben des Chefermittlers mit extremer Gewalt vorgegangen – das habe auch die Obduktion der Opfer gezeigt. Die ersten beiden Opfer habe er beim Mittagessen an ihrem Arbeitsplatz attackiert, dann sei er weiter ins Erdgeschoss des Pariser Polizeihauptquartiers gegangen.

Kleidungsgewohnheiten umgestellt

Der Angreifer habe auch wegen seines Glaubens in letzter Zeit seine Kleidungsgewohnheiten umgestellt, den Kontakt zu Frauen geändert und gegenüber einem Kollegen Zustimmung zu dem islamistischen Attentat auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" im Jänner 2015 geäußert, sagte der Chefermittler der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft. Das Strafregister des aus dem französischen Überseegebiet Martinique stammenden Mannes sei sauber. Allerdings habe er in einem Fall von häuslicher Gewalt einen Verweis erhalten.

Die Messerattacke hat in Frankreich Entsetzen und Trauer ausgelöst. Der Angreifer hatte am Donnerstagnachmittag in der Polizeipräfektur auf der Seine-Insel Ile de la Cité vier seiner Kollegen getötet. Anschließend wurde er von einem Polizisten erschossen, der selbst erst wenige Tage im Einsatz war. "Die Ermittlungen werden nun fortgesetzt, um die Gründe für diese Tat und die Persönlichkeit des Täters genauer zu bestimmen", kündigte der Chefermittler an.

Terrorismus forderte über 250 Opfer

Frankreich wird seit Jahren von islamistischen Terroranschlägen erschüttert. Dabei sind bisher mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Vor wenigen Monaten hatte ein 24-Jähriger in Lyon einen selbst gebauten Sprengsatz vor der Filiale einer Bäckereikette in einer Einkaufsstraße der südostfranzöschen Metropole platziert. Mehr als ein Dutzend Menschen wurden verletzt.

Der Pariser Angreifer hatte seit 2003 als Informatiker bei der Polizei gearbeitet. Er war in einer als sensibel geltenden Abteilung der Polizeibehörde eingesetzt, die sich auch mit geheimdienstlichen Themen und Terrorabwehr befasst.

Bereits vor Bekanntwerden der Details wuchs der Druck auf Innenminister Christophe Castaner. Zunächst hieß es in den Medien, das Motiv der Tat könne ein interner Konflikt gewesen sein. Castaner gab in Pressestatements nach der Tat keinen Hinweis darauf, dass der Angreifer sich vor der Tat möglicherweise radikalisiert haben könnte. Erst am Freitagabend hatten die Anti-Terror-Ermittler der Staatsanwaltschaft die Untersuchungen übernommen.

Oppositionspolitiker fordern nun einen Untersuchungsausschuss zu der Messerattacke. Ihrer Ansicht nach hielt der Innenminister Informationen über den mutmaßlichen Täter zurück, als er erklärte, der Mann sei zuvor nicht negativ aufgefallen. Der konservative Abgeordnete Éric Ciotti verlangte eine parlamentarische Untersuchung. Weitere konservative Abgeordnete und Politiker der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National um Marine Le Pen forderten den Rücktritt Castaners.

Für Dienstag ist eine Gedenkfeier in der Polizeipräfektur mit Präsident Emmanuel Macron geplant. (APA, dpa, red, 5.10.2019)