Ein Jahr unbedingt für Heinz Schaden – der Schock ist Gemeindevertretern ins Gesicht geschrieben. Der Fall des früheren Salzburger Bürgermeisters verdeutlicht, wie anspruchsvoll es sein kann, Gemeinden so zu verwalten, dass (juristische) Fehlhandlungen vermieden werden. Das liegt insbesondere an der Komplexität und Vielfalt der Aufgaben von Gemeindevertretern. Bürgermeister handeln fast immer zum Wohle ihrer Gemeinde und werden meist schlecht bezahlt. Von ihnen in allen Belangen juristische Detailkenntnisse zu erwarten ist schlicht weltfremd.

Nachdem der Oberste Gerichtshof das erstinstanzliche Urteil im SWAP-Prozess bestätigt hat, will Ex-Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) vor den Europäischen Gerichtshof (EGMR) für Menschenrechte ziehen.
Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Gleichzeitig gehört es zur organisatorischen Verantwortung, sicherzustellen, dass die Wahrscheinlichkeit von Rechtsverstößen so gering wie möglich gehalten wird. Wie lässt sich legales Verhalten in einer Gemeinde institutionell verankern? Ein Blick in die Welt der Unternehmen kann helfen: Dort übersetzen Compliance-Management-Systeme den Paragrafendschungel in praktisch lebbare Regeln.

Internationale Normen

Unter der Ägide des Normungsinstitutes Austrian Standards wurde 2013 eine ON-Regel (192050) erarbeitet, die Unternehmen bei der Implementierung eines wirksamen Compliance-Management-Systems unterstützt. Später wurde darauf aufbauend auch ein internationaler Standard (ISO 19600) dazu geschaffen. Mit diesen Normen sollen sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Folgen – vor allem Schadenersatzansprüche gegen die handelnden Personen, aber auch die Leitung wegen Organisationsverschuldens – vermieden werden.

Derartige Systeme bestehen immer aus denselben fünf Zutaten:

  • "Tone from the Top" ein sichtbares und laufendes Commitment der obersten Führungsebene.
  • Risikoanalyse Wo besteht ein Risiko, dass gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen wird?
  • Schulungen und Policies Das Wissen muss in die Köpfe der Menschen, es reicht nicht aus, das Bundesgesetzblatt auszuhängen.
  • Compliance-Audits, um zu analysieren, inwieweit das gesetzte Verhalten vom gewünschten abweicht.
  • Hinweisgebersysteme geben Mitgliedern der Organisation die Möglichkeit, Fehlverhalten auch in anonymer Form aufzuzeigen.

Obwohl Compliance-Management-Systeme Organisationen nachweislich helfen, ihre Haftungsrisiken zu senken, gibt es in Österreich nur wenige Gemeinden, die ein zertifiziertes System vorweisen können – die MA 48 der Gemeinde Wien ist hier Vorreiter.

Bei den Gemeinden scheint es in erster Linie an der Risikoanalyse, Schulungen und Policies sowie den Compliance-Audits zu mangeln. An der Analyse mangelt es, weil Gemeindeverwaltungen ein derart breites Spektrum abzudecken haben, dass Risiken oft gar nicht oder nicht ausreichend erkannt werden.

Regelmäßige Compliance-Audits

Policies müssten konkretere Hilfestellung dabei leisten, wie man sich bei den täglichen Herausforderungen der Gemeindearbeit verhalten soll. Regelmäßige Compliance-Audits insbesondere in den identifizierten Risikobereichen der Verwaltungstätigkeit wären zwingend. Da Gemeinden in ihrer hoheitlichen Funktion besonders exponiert sind und eigene Bedürfnisse haben, erscheint es sinnvoll, die bestehenden Benchmarks im Interesse der Gemeinden zu ergänzen.

Aufgrund der sich rasch ändernden gesetzlichen Bestimmungen sollten Gebietskörperschaften in wiederkehrenden Abständen, am besten einmal jährlich, einen Compliance-Health-Check durchführen. Auch die anstehende Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in Österreich, wonach alle Gebietskörperschaften ab 10.000 Einwohnern ein Hinweisgebersystem einrichten müssen, wird helfen, das Haftungsrisiko zu senken.

Wenn die Gemeinden dieses Thema geschlossen angehen, könnte die entstandene Verunsicherung rasch beseitigt werden. So könnte vermieden werden, dass sich keiner mehr findet, der den Job machen oder in schwierigen Situationen mutige Entscheidungen treffen will. (Alexander Petsche, 7.10.2019)