Böse Zocker: Gary Oldman und Antonio Banderas in "The Laundromat".

Foto: Netflix

Steven Soderbergh ist für Netflix aus mehreren Gründen ein naheliegender Kandidat. Der 56-jährige US-Regisseur, der bereits mit Mitte zwanzig für Sex, Lügen und Video die Goldene Palme von Cannes gewonnen hat, versteht sich als Abtrünniger von Hollywood. Im Jahr 2013 erklärte er, enttäuscht von den kurzen Zügeln des Filmgeschäfts, seinen Abschied. Dann kehrte er mit der historischen Krankenhausserie The Knick früher als erwartet aus dem Ruhestand zurück und widmete sich mit kleiner budgetierten Filmen wie dem auf iPhone gedrehtem Unsane auch neuen Distributionsmodellen.

Das Experiment, die Filme unabhängig ins Kino zu bringen, erwies sich allerdings als mäßiger Erfolg – Unsane erwirtschafte gerade einmal acht Millionen Dollar. Sein nächstes Projekt, das ähnlich günstig produzierte Basketballdrama High Flying Bird, verkaufte Soderbergh an Netflix. Dem Streamingdienst, der seit einigen Jahren auch renommierte Autoren mit beachtlichen Budgets ausstattet und ihnen kreative Freiheiten gewährt, begegnet er mit der Gelassenheit eines Regisseurs, der bereits viele Verwertungsmodelle ausprobiert hat (und in keinem das Gelbe vom Ei finden konnte). Insofern ist es ihm, wie er sagt, herzlich egal, dass Netflix nun The Laundromat ins Kino bringt (ab 18. 10. ist er als Stream abrufbar).

Rapid Trailer

Dabei ist The Laundromat genau in diesem Sinne ein Film der Zeit. Denn nicht so sehr die Beschäftigung mit der Panama-Affäre (nach Jake Bernsteins Sachbuch Secrecy World: Inside the Panama Papers Investigation of Illicit Money Networks and the Global Elite) ist das Ungewöhnliche dieser Produktion, sondern ihre hybride Form, die so wirkt, als hätte man in einen Spielfilm eine Miniserie eingewoben – oder umgekehrt. Mit dem Nachdruck durch prestigeträchtige Festivalpremieren (Venedig und Toronto) und der Verstärkung durch einen Premier-League-Cast (Meryl Streep, Gary Oldman, Antonio Banderas und Sharon Stone) ergibt das den wohl ersten prototypischen Netflix-Film.

Oldman und Banderas dienen sich als die beiden flamboyanten Reiseführer an, die durch einen episodischen Reigen von Geldwäscheaktionen an exotischen Schauplätzen führen. Bei den nämlichen Herren Mossack und Fonseca läuft in Wahrheit alles zusammen: Waren der Deutsche und der Panamaer doch die beiden Unternehmer, die 300.000 Briefkastenfirmen Unterschlupf gewährten – mit unglaublichen Gewinnen.

Meryl Streep als um ihr Geld geprellte Seniorin und Ermittlerin.
Foto: Netflix

Sie zum Angelpunkt des Films zu machen betont dessen satirische Ausrichtung. Schuldbewusst sind sie in Oldmans und Banderas' treffsicherer Darstellung nicht. Sie reden sich auf die Natur des Geldflusses hinaus, auf ein Spiel mit Möglichkeiten. Das Böse ist hier eher dämlich und anbiedernd, ein Kind moralischer Überheblichkeit. "Die Unterwürfigen sind allesamt geliefert", lautet eine ihrer Maximen.

Beharrliche Aufdeckerin

Auf der anderen Seite steht Ellen, eine von Meryl Streep gespielte Pensionistin, die ihre Beharrlichkeit mit geblümten Blusen und Sonnenhut tarnt. Sie verliert ihren Ehemann bei einem Bootsunglück, das Versicherungsgeld versinkt dabei zum Großteil gleich mit. Doch Ellen will den Dingen auf den Grund gehen. Eine nicht unwitzige Vorstellung, dass sie der Whistleblower sein könnte, der der Süddeutschen Zeitung die Papiere zukommen ließ.

Für die journalistische Aufdeckung interessiert sich The Laundromat jedoch nicht einmal am Rande. Vielmehr will er mit Fallbeispielen aufdröseln, welche Geschichten sich hinter den Scheinfirmen verbergen. Dafür, dass dahinter ein verfahrenes Weltmodell zu bergen wäre, fehlt ihm dann die Schärfe. Die Episoden, etwa jene um einen afrikanischen Oligarchen, der seine Sexeskapaden selbst bei der eigenen Tochter mit Geld kompensieren will, bleiben zu vordergründig, Soderberghs Ton zu unverbindlich.

Auch wenn ihm ganz zum Ende noch eine sehr elegante Allegorisierung des Geschehens gelingt; man darf The Laundromat ruhig streamen! Anders verhält es sich mit Noah Baumbachs fulminantem Scheidungsdrama Marriage Story und Martin Scorseses The Irishman, zwei weiteren Netflix-Filmen, die am 6. 12. respektive am 27. 11. ins Kino kommen. Da garantiert die große Leinwand auch den größeren Genuss. (Dominik Kamalzadeh, 7.10.2019)