Die zumindest sinnbildliche Vereinigung von Stadt und Baum stellt wohl das Hundertwasserhaus in Wien-Landstraße dar.

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"Ich glaube, dass wir unsere Städte nicht klimafit bekommen, wenn wir den Bäumen keinen Platz mehr geben." So wichtig für Sabine Auer andere Entwicklungen in der städtischen Raum- und Gebäudeplanung sind, etwa die Begrünung von Fassaden oder Dächern, Bäume bleiben für die Expertin der niederösterreichischen Landesregierung das Um und Auf. Dabei sei die Stadt ursprünglich kein baumfeindlicher Standort, betont Auer und erinnert an alte Gebäude, deren Innenhöfe von großen Bäumen natürlich gekühlt werden. "Das Prinzip gibt es ewig, nur im letzten Jahrhundert haben wir es verlernt", sagt sie, die auch Vorsitzende des Komitees für Grünräume des österreichischen Normungsinstituts Austrian Standards ist.

Der Herausgeber der bekannten Ö-Normen tüftelt an diversen Standards, mit deren Anwendung beim CO2-Ausstoß einige Prozentpunkte Verringerung möglich sein sollen. Auch bei Gebäuden ist noch viel möglich. "Abhängig davon, ob es um einen Neubau oder um größere Renovierungen geht, sind Energieeinsparungen von bis zu 80 Prozent möglich", sagt Christian Pöhn, Experte für Energieeffizienz und Klimaschutz bei Gebäuden der Stadt Wien. Im Durchschnitt seien 50 Prozent realistisch – was sich auch bei den Betriebskosten niederschlage, da Heizung und Kühlung entsprechend geringer ausfallen könnten. "Das kommt auch der vielfach erhobenen Forderung nach leistbarem Wohnraum entgegen", betont Pöhn.

Kühlen wird immer wichtiger

"Bisher waren Entwicklungen in der Baubranche darauf ausgerichtet, keine Energie für das Heizen aufzuwenden", erklärt Josef Winkler von Austrian Standards, "heute geht es aber vielmehr auch ums Kühlen." Die Palette der Maßnahmen reicht ihm zufolge von der Verwendung heller Materialien für Dächer, Schatten spendenden Vordächern oder der Begrünung von Dächern und Fassaden. "In Städten wird es durch die Verbauung tagsüber oft um bis zu sechs Grad wärmer als in ländlichen Gebieten", sagt Winkler. Ablesen lässt sich dies auch an der Anzahl sogenannter Tropennächte. Im Vorjahr gab es in der Wiener Innenstadt 46 Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sank. Zum Vergleich: Am nahegelegenen Flughafen Wien-Schwechat waren es laut dem Wetterdienst Ubimet bloß acht.

Die von Austrian Standards herausgegebenen Normen sollen das Expertenwissen zum Thema Klimaschutz bündeln und deren Anwendung den CO2-Ausstoß senken. Deren Ausarbeitung könne mitunter Jahre dauern, berichtet Auer aus der Praxis, da man verschiedene Lösungsansätze, mit denen einzelne Akteure vorausgeprescht seien, unter einen Hut bekommen sollte. Allein das Komitee für Grünräume habe in den vergangenen Jahren 25 Normen herausgegeben.

Prinzip der Schwammstadt

Wichtig ist aus Auers Sicht angesichts immer mehr mit Asphalt versiegelter Böden das Prinzip der Schwammstadt. Dabei geht es darum, ausreichend Wasser im Untergrund zu speichern, anstatt es auf versiegelten Oberflächen verdampfen oder über den Kanal ungenutzt ablaufen zu lassen. Damit können etwa Bäume lokale Klimaeffekte abfedern. Allerdings bemängelt Auer, dass derzeit für einen Baum bloß ein bis zwei Quadratmeter zur Verfügung stünden, für einen Pkw-Abstellplatz aber zwölf.

Dabei würde ein 30- bis 50-jähriger Baum zur vollen Entfaltung 60 Quadratmeter benötigen. "Das sind fünf Pkw-Stellplätze, die man für einen Baum opfern müsste." Dem stellt Auer die Vorteile entgegen: Bäume absorbieren nicht nur CO2 und werfen Schatten, sondern senken die Temperatur auch durch ihre Verdunstung. (Alexander Hahn, 7.10.2019)