Sebastian Kurz ist der Wahlsieger, der heute, Montag, vom Bundespräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Aber Werner Kogler ist derjenige, der Kurz sagen wird, wie das gehen soll, zumindest mit den Grünen. Zumindest im Krone-Interview. Dort skizziert Kogler klar, wie Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen gelingen können.

Keine Rede mehr von der "türkisen Schnöseltruppe", stattdessen kommt die deutliche Ansage, dass die Grünen "auf allen Ebenen umsetzen wollen, was ihnen wichtig ist". Und was ist ihnen wichtig? Laut Kogler ist das vor allem eine deutliche Unterscheidung vom türkis-blauen Kurs in den Bereichen Natur, Umwelt, Klima. Dabei steckt er den möglichen politischen Erfolg einer solchen Koalition recht weit: Wenn sich etwa in fünf von zehn Politikfeldern nichts verschlechtere, aber in den anderen fünf werde die Regierungspolitik "grüner", sei das schon ein Erfolg. Ähnlich pragmatisch sieht das Vorarlbergs Grünen-Chef Johannes Rauch im STANDARD-Gespräch: Man müsse ja nicht "alles festzurren".

Lob für Kurz

Auch auffällig: Eine notwendige Neuorientierung in der Migrations- und Fremdenpolitik, stets einer der Hauptangriffspunkte gegen "die" Regierung (war schon unter Rot-Schwarz so, danach, außerparlamentarisch, unter Türkis-Blau erst recht) erwähnte Kogler mit keinem Wort. Im Gegenteil: Neuerdings meint Kogler sogar, Kurz sei ein "sehr guter Integrationsstaatssekretär" gewesen. Das klang 2013, als dieser für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein Mindesteinkommen forderte, gänzlich anders: Damals kritisierten die Grünen die "falschen Maßstäbe", die Kurz in Sachen Integration anlege.

Koglers unaufgeregter Zugang mag auch aus den Erfahrungen der ersten schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen zwischen Wolfgang Schüssel und Alexander Van der Bellen erwachsen sein. Damals versuchten die Grünen, ihre "Handschrift" in alle möglichen Politikbereiche einzuschreiben. Das überforderte alle Beteiligten, besonders aber die Ökopartei, die ohne besondere Vernetzung in Ministerien und ohne die Thinktanks von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung dem Njet der ÖVP bei einzelnen Themen wenig entgegenzusetzen hatte. Einen Vorteil am grünen Tisch hat zweifelsohne, wer gleich einmal Zahlen, Daten, Fakten – am besten von Ministerien berechnet – vorlegen kann. Diese zu widerlegen kann dem kleineren, stimmenschwächeren Partner oft schwerfallen. Das soll den Grünen nicht mehr passieren. Nicht zufällig hat Kogler noch im Wahlkampf eine Gruppe von Wissenschaftern als Klima-Thinktank um sich geschart.

Glaubwürdigkeit als harte Währung

Freilich wird auch beim Kernthema Klimaschutz der Wille zum Pragmatismus walten müssen – oder das Sitzfleisch, um unangenehme Themen gemeinsam auf die lange Bank zu schieben, etwa beim geplanten Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat. Der grünen Wählerschaft wäre das wohl kaum zu erklären – und Glaubwürdigkeit ist die wertvollste politische Währung. Anleihen kann Kogler hier bei den angeblich so ideologiefesten Wiener Grünen nehmen: Die haben das beim Lobautunnel nicht anders gemacht. Diese koalitionäre Unstimmigkeit mit der SPÖ schiebt man seit Jahren vor sich her und neuerdings auch auf den Bund.

Mit der Aussage, er müsse nicht bei allen Themen gewinnen, schickt Kogler schon vor Beginn von Koalitionsgesprächen ein beruhigendes Signal an die ÖVP. Übersetzt bedeutet es: "Fürchtet euch nicht!" (Petra Stuiber, 6.10.2019)