Europarechtsexperte Stefan Brocza stellt im Gastkommentar die Frage, warum die EU-Abgeordneten mit dem österreichischen Kandidaten so pfleglich umgingen.

Am vergangenen Donnerstag musste sich Johannes Hahn der Befragung durch das Europaparlament (EP) unterziehen. Sie verlief ungewohnt ruhig und nahezu amikal. Vom angekündigten "Grillen" war dabei nichts zu spüren, die Temperaturen blieben lau, und es stellt sich nun die Frage, warum die Abgeordneten mit Hahn so pfleglich umgingen und offene Fragen konsequent ausgespart blieben.

Überraschend ruhig verlief für Johannes Hahn das Hearing im Europaparlament.
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Schon im Vorfeld der Anhörung hatte nämlich der Rechtsausschuss des EP dem derzeitigen Erweiterungskommissar und ehemaligen Regionalkommissar (eine Zuständigkeit, die er derzeit interimsweise auch wieder ausübt) empfohlen, seine Aktienpakete von Strabag, OMV, Erste Bank oder auch Raiffeisen International zu verkaufen.

Angaben zur Lebensgefährtin

Es könnten sich daraus Unvereinbarkeiten für den künftigen EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung ergeben. Statt dem nachzukommen, ließ Hahn den Ausschuss wissen, dass er diese Aktien schon während der letzten zehn Jahre als Kommissar besessen habe und daher wohl kein Problem damit bestünde.

Einen viel schwerwiegenderen Aspekt bei der schriftlichen Erklärung der finanziellen Interessen Hahns wirft jedoch die Tatsache auf, dass er seine Lebensgefährtin völlig unter den Tisch fallen ließ. In dem Formular sind nämlich auch Angaben zur jeweiligen Ehefrau bzw. Lebensgefährtin zu machen. Diese Rubrik ließ Hahn frei und suggeriert damit, dass er Single sei. Nur entspricht das eben nicht den Tatsachen.

Er ist seit einiger Zeit mit der ehemaligen Vizekanzlerin und jetzigen Wüstenrot-Chefin Susanne Riess liiert und zelebriert diese Partnerschaft auch medienöffentlich. Es stellt sich nun die Frage, warum das in Brüssel niemandem aufgefallen ist bzw. auffallen wollte. Im Rechtsausschuss sitzt aus Österreich neben Karoline Edtstadler übrigens auch Bettina Vollath von der SPÖ. Und zumindest sie muss sich die Frage gefallen lassen, warum sie Johannes Hahn eine falsche Erklärung seiner Interessen hat durchgehen lassen.

Unerklärliche Sonderbehandlung

Ausgestattet mit dieser unerklärlichen Sonderbehandlung stellte sich Hahn dem eigentlichen Hearing. 25 Abgeordnete aus den drei Parlamentsausschüssen hatten jeweils zwei Fragen. Diese waren inhaltlicher Art und wurden brav und korrekt beantwortet. Unangenehmes zu Aktien oder der Lebensgefährtin (und deren finanziellen und wirtschaftlichen Interessen) unterblieben. Nicht einmal die im Raum stehende Frage, ob er nun tatsächlich die vollen fünf Jahre durchdienen würde oder nicht doch nur als Platzhalter für Edtstadler fungiere, wurde gestellt.

Dabei war klar, dass Winzig und Edtstadler von der ÖVP dies nicht thematisieren würden. Von der dritten aus Österreich stammenden Fragestellerin, der Grünen Monika Vana, hätte man jedoch mehr kritische Distanz erwarten dürfen. Stattdessen stellte sie zwei nette Fragen zu Gender-Budgeting und LGBT und trippelte nach erfolgreichem Hearing umgehend nach vorn, um von Hahn ihre Küsschen zu empfangen. Wer in Brüssel so in politische Vorleistung geht, erwartet sich wohl einiges bei den kommenden Koalitionsverhandlungen in Wien. (Stefan Brocza, 7.10.2019)