Wien – Der Unterschied liegt oftmals nur im Detail, denn die Wortwahl ist auf dem politischen Parkett nun einmal entscheidend. Während Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach dem Regierungsbildungsauftrag an ÖVP-Obmann Sebastian Kurz dezidiert zum Handeln aufgrund der heranrückenden "Klimakatastrophe" urgierte, sprach Kurz eher defensiv von "Anstrengungen gegen den Klimawandel", die man unternehmen wolle. Auch in der Priorisierung der Ziele für die nächste Bundesregierung waren Unterschiede erkennbar. Für Van der Bellen steht der Klimaschutz "ganz oben auf der Agenda", Kurz sah im drohenden Wirtschaftsabschwung, in der Steuerentlastung und im Kampf gegen illegale Migration drei Themen, die ein Kabinett Kurz II vordergründig beschäftigen sollen.

Auftrag zur Regierungsbildung an Sebastian Kurz (ÖVP) durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
DER STANDARD/APA

Es war dies vielleicht ein Vorgeschmack auf potenziell zähe türkis-grüne Koalitionsverhandlungen. So betonte Kurz aber, wie er mittels ökosozialer Marktwirtschaft Mensch, Natur und Wirtschaft in Einklang bringen möchte, um "respektvoll mit unserer Schöpfung umzugehen".

Klimaschutz

Gerade beim Umweltschutz und beim Kampf gegen die Klimakatastrophe könnte es auf jene "gute österreichische Lösung" hinauslaufen, die das Staatsoberhaupt am Montag im Maria-Theresien-Zimmer heraufbeschwor. Diese käme immer dann zustande, wenn man erkenne, dass neben der eigenen Position und jener des Verhandlungspartners eine dritte, alternative Lösung vielleicht noch besser sei. Jetzt, da der Wahlkampf vorbei ist, sollten die verschiedenen Wahlgruppierungen parteitaktische Überlegungen in den Hintergrund und Österreichs Wohl in den Vordergrund stellen, so Van der Bellen. "Die Zeit des Findens von Lösungen ist gekommen", appellierte er an die Parteien, Verhandlungen seien nun "ehrlich, ernsthaft und ohne versteckte Agenda zu führen."

Ex-Kanzler Kurz wünschte sich, dass die politische Kultur nach dem teilweise "sehr schmutzigen Wahlkampf" wieder eine bessere werden solle. Dafür werde er auch mit den anderen Parteien über eine mögliche parteiübergreifende Zusammenarbeit im Parlament sprechen. Schon am Dienstag wird Kurz mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die erste Chance zur Aufarbeitung des Wahlkampfs haben, nämlich dann, wenn diese um elf Uhr zu Sondierungen im Winterpalais eintrifft. Am Nachmittag folgt Norbert Hofer von der FPÖ, am Mittwoch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Grünen-Spitzenkandidat Werner Kogler.

Standpunkte der Parteien

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner möchte die Gespräche nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis "konstruktiv anlegen", zweifelt jedoch daran, dass die ÖVP ihr bei roten Kernthemen wie einer Erbschaftssteuer oder der Abschwächung des Zwölfstundentags entgegenkommt. Sie wird Kurz am Dienstag um 11 Uhr treffen.

Die FPÖ geht davon aus, für eine Regierung nicht infrage zu kommen und in Opposition zu gehen. Parteichef Norbert Hofer ließ sich eine Koalitionsoption dennoch offen für den Fall, dass Kurz keinen Partner findet. Eine schwierige Personalie für eine Neuauflage von Türkis-Blau wäre Ex-Innenminister Herbert Kickl. Kurz hat mehrmals erklärt, dass er diesen nicht mehr als Minister akzeptieren würde. Mit Hofer spricht der ÖVP-Chef am Dienstag um 15 Uhr.

Ex-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP), Ex-Innenminister Franz Löschnak (SPÖ), Ex-FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz, Ex-Grünen-Vizeklubobmann Karl Öllinger und Ex-Neos-Chef Matthias Strolz diskutierten am Sonntagabend bei "Im Zentrum" im ORF über Koalitionsvarianten.
ORF

Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger sieht den "Ball nicht bei den Neos" liegen. Sie könne sich sowohl eine Regierungsbeteiligung nach dem Salzburger Vorbild ÖVP-Grüne-Neos als auch die Opposition gut vorstellen. Beobachtern zufolge könnten die Neos als Brücke zwischen ÖVP und Grünen agieren. Am Mittwoch um 11 Uhr folgt das erste Sondierungsgespräch mit Kurz.

In zahlreichen Punkten beziehen die Grünen eine grundlegend andere Position als die ÖVP, etwa bei Migration und Klimaschutz. "Wenn wir Politik mit zehn Feldern beschreiben, und in fünf Feldern bleibt der Status quo und in den anderen wird es grüner, dann ja", sagte Grünen-Chef Werner Kogler über die Möglichkeit von Türkis-Grün. Kogler ist der letzte Gesprächspartner des ÖVP-Chefs, Termin: Mittwoch um 17.30 Uhr.

Geschlechterparität

Ex-Grünen-Chef Van der Bellen ließ seinerseits nur thematische Wünsche durchblicken. In Sachen Koalitionspräferenz bekräftigte er lediglich, dass es ihm wichtig sei, wofür man regiere, nicht wer: "Einen Wunsch habe ich ganz sicher: Unabhängig von den Parteifarben in der Regierung wünsche ich mir eine rot-weiß-rote Regierung. Das heißt: ein starkes Österreich in einem gestärkten Europa", sagte Van der Bellen. Wie in der aktuellen Übergangsregierung der Fall, wünsche er sich zudem, dass auch die kommende über einen ausgeglichenen Frauen- und Männeranteil verfüge. Auch die Unabhängigkeit der Justiz, das Thema Sicherheit und der drohende Wirtschaftsabschwung seien gewichtige Anliegen, derer sich die nächste Regierung annehmen müsse.

Für Kurz war klar, dass er sich auf ein paar "intensive Wochen und Monate" einstellen muss. Van der Bellen zeigte sich im Anschluss an das rund einstündige Gespräch aber überzeugt, dass die Volkspartei eine Regierung werde bilden können. "Stabil und handlungsfähig" gab Kurz als Ziele für die neue Regierung aus. (Fabian Sommavilla, APA, red, 7.10.2019)