Donald Trump geriet wegen der Whistleblower-Affäre innenpolitisch massiv unter Druck. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren steht im Raum. Der amerikanische Präsident reagiert auf den innenpolitischen Druck wie auch bereits in der Vergangenheit: Er wendet sich der Handelspolitik zu. Vorletzte Woche machte das Gerücht die Runde, dass Trump einen Ausschluss chinesischer Unternehmen von US-Börsen in Erwägung ziehen würde. Die Folge war eine Talfahrt der Aktien der betroffenen Unternehmen.

Überschreitungen

Vergangene Woche setzte die Welthandelsorganisation (WTO) die Höhe der Strafe für die EU im Handelsstreit rund um Airbus und Boeing fest. Airbus hatte nicht-WTO-konforme Subventionen von europäischen Staaten erhalten, und deshalb wurde den USA die Möglichkeit eingeräumt, auf EU-Importe im Warenwert von 7,5 Milliarden Dollar Strafzölle in einer Maximalhöhe von bis zu 100 Prozent zu erheben. Robert Lighthizer, der Handelsbeauftragte der USA, hat daraufhin die Einführung von neuen Zöllen auf EU-Importe für den 18. Oktober angekündigt. Eine Liste der betroffenen Waren liegt bereits vor. Flugzeuge sollen mit einem Zollsatz von zehn Prozent und landwirtschaftliche Produkte mit 25 Prozent belegt werden. Die Gesamtliste überschreitet die 7,5 Milliarden Dollar bei weitem und entspricht EU-Importen im Wert von 25 Milliarden Dollar. Die USA muss also noch eine weitere Auswahl treffen, oder sie überschreitet das Ausmaß der zulässigen Zölle deutlich.

Hält sich Trump an den WTO-Richterspruch und verhängt Strafzölle auf Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar, wären weniger als zwei Prozent aller EU-Exporte in die USA von diesen Zöllen betroffen. Im Vergleich hierzu exportierte die EU 2018 Stahl- und Eisenerzeugnisse im Wert von rund 7,7 Milliarden Dollar, obwohl diese bereits seit März 2018 mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegt sind. Für die europäische Gesamtwirtschaft sollte diese Maßnahme allein somit überschaubare negative Folgen haben. Ausgewählte Sektoren und Länder – wie zum Beispiel die französischen Weinproduzenten – könnten jedoch stärker betroffen sein. Die US-amerikanischen Strafzölle zielen vor allem auf Deutschland, Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich ab, da diese die rechtswidrigen Airbus-Subventionen getätigt haben.

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Keine Entspannung

Die WTO-Entscheidung kommt in einer für die Weltwirtschaft schwierigen Situation. Der Brexit und vor allem die bereits bestehenden Handelskonflikte mit China und der EU belasten den internationalen Handel und damit das Weltwirtschaftswachstum. In den großen EU-Volkswirtschaften hat die Wachstumsdynamik deutlich abgenommen. So könnte sich etwa Deutschland kurz vor einer (technischen) Rezession befinden. Die jetzt angekündigten neuen US-Zölle gegen Europa sind nicht geeignet, zur Entspannung auf den Weltmärkten beizutragen.

Die Airbus-Strafzölle sind das Ergebnis des multilateralen Handelsstreitschlichtungsverfahrens im Rahmen der WTO. Die Entscheidung ist auch nicht besonders außergewöhnlich oder überraschend. Der Streit rund um Airbus und Boeing dauert nun schon 15 Jahre. Das vorläufige Ende: Beide Unternehmen haben staatliche Subventionen erhalten, diese auch nicht rechtzeitig beendet und damit gegen WTO-Recht verstoßen. Als Ergebnis wird die WTO der EU ebenfalls die Möglichkeit einräumen, Strafzölle einzuführen.

Trumps Trumpf?

Bis dahin wird Trump jedoch bereits entschieden haben, ob (und in welchem Ausmaß) die USA Zölle auf Autoimporte aus der EU einführen werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte gestiegen sein. Mit der WTO-Entscheidung kann Trump seine bisherige Rhetorik nun nämlich auch faktenmäßig belegen. Demnach sollen die Europäer (und China) die USA in der Handelspolitik immer schon unfair behandelt haben, sie hätten nur durch dieses Verhalten Handelsbilanzüberschüsse mit den USA aufbauen können. Durch die Airbus-Entscheidung sei dies nun bestätigt, und es sei an der Zeit, diese unfairen Praktiken zu beenden. Deshalb seien Zölle auf europäische Autos auch gerechtfertigt. So oder so ähnlich könnte die Argumentationslinie von Trump lauten. Dass die USA mit Boeing einen gleichgelagerten Fall vor der WTO verloren haben, wird den amerikanischen Präsidenten dabei in seiner Argumentation wohl nicht sonderlich stören. (Harald Oberhofer, 8.10.2019)

Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaft an der WU Wien und stellvertretender Vorstand des Instituts für Internationale Wirtschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen wirtschaftliche Integration und Außenhandelsökonomie.
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