Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser setzt sich für verbesserte Arbeitsbedingungen und zusätzliche Fachkräfte in der Pflege ein.

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Wien – Die Statuserhebung in Sachen Pflege ist ernüchternd: In Österreich gibt es derzeit rund 63.000 Pflegekräfte, weitere 24.000 seien in den nächsten elf Jahren dringend notwendig. Wobei die 24-Stunden-Betreuung in diesen Zahlen nicht inkludiert ist, weil Pflege und Betreuung unterschiedliche Bereiche sind.

In Summe gab Österreich im Vorjahr 4,5 Milliarden Euro für die Pflege aus, 2,7 Milliarden davon entfallen auf das Pflegegeld, das aktuell von 462.583 Personen bezogen wird. Tendenz da wie dort stark steigend. In Österreich gibt es laut Diakonie rund eine Million pflegende Angehörige, die Hälfte davon hat keine professionelle Unterstützung. Und: 50 Prozent der pflegenden Angehörigen sind über 60 Jahre. In Österreich arbeiten nur knapp über zehn Prozent im Gesundheits- und Sozialwesen, in den nordischen Staaten seien es doppelt so viele.

Für die Direktorin der Diakonie Österreich, Maria Katharina Moser, ist die Finanzierung der Pflege zwar wichtig, aber "nicht die erste Frage" in Sachen Problembewältigung. Ob steuerliche, solidarische Finanzierung (ähnlich wie in Deutschland) oder (eher unwahrscheinlich) reine private Pflegeversicherung sage nichts über die Qualität und den Zugang zum Problem der fehlenden Pflegekräfte aus. Bei der Finanzierungsart wolle sich die Diakonie nicht festlegen. Das Altwerden nur als Kostenfaktor zu definieren werde dem Problem nicht gerecht, betonte Moser.

Kostenlose Ausbildung

Um dem Pflegekräftemangel entgegenzuwirken, fordert die Diakonie Österreich "ab sofort" die kostenlose Ausbildung aller Pflegeberufe in ganz Österreich sowie die Ausweitung des Fachkräftestipendiums zur Finanzierung des Lebensunterhalts während der Ausbildung. Mehr berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Zudem die Aufnahme aller Pflegeberufe in die Mangelberufsliste für die Ro-Weiß-Rot-Card. Und: einfachere Zulassungs-, Nostrifizierungs- und Anerkennungsverfahren für Pflegekräfte aus dem Ausland in Verbindung mit gezielter Werbung von Pflegekräften im Ausland.

Für Moser ist die jüngst beschlossene Pflegegelderhöhung "kein Gesamtkonzept", wie sie im Zuge eines Hintergrundgesprächs mit Deloitte am Montag sagte. "Wir spüren das Personalproblem in der Pflege schon jetzt, wir kommen mit dem derzeitigen Personal nicht aus und finden kein neues."

Gebraucht werde eine umfassende Reform. Dazu gehöre vor allem auch der Faktor Mensch. Einerseits sei die Würde des Patienten zu wahren. Die Pflegenden werden immer älter, sie kommen immer später in die Betreuung, und der Pflegebedarf werde zudem höher. Ein schlechterer Gesundheitszustand gehe einher mit einer höheren emotionalen Belastung. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass man auch künftig auf pflegende Angehörige setzen könne, betonte Moser. Daher ihr eindringlicher Appell an die künftige Regierung, professionelle Angebote und Dienstleistungen bereitzustellen. So gebe es auch zu wenige Tageszentren, und die vorhandenen seien zu teuer.

Absage an Pflegebonus

Dem Vorschlag von VP-Chef Sebastian Kurz eines "Pflege-daheim-Bonus", wonach ab Pflegestufe 3 ein Anspruch auf 1.500 Euro pro Jahr bestehen soll, sofern ein Angehöriger zu Hause betreut wird, für die Stufen darunter seien 1.000 bzw. 500 Euro veranschlagt, können die Diakonie und Deloitte wenig abgewinnen. Laut Diakonie sei der Vorschlag "dem Wahlkampf geschuldet und nicht wohlüberlegt". Gundi Wentner, Partnerin von Deloitte, meinte: "Wenn man weiß, was Pflege kostet, lösen 1.500 Euro das Problem nicht."

Pflege müsse berufsbildend werden, ein Bereich, in dem man auch altern könne, sagte Magdalena Peckskamp von Deloitte. Zudem bedarf es für Pflegeberufe eines Mindestmaßes an zeitlicher Planbarkeit, keine ständigen Dienstplanänderungen, um Privat- und Arbeitsleben zu vereinbaren. Wie überall sei auch im Pflegebereich die Basis ein attraktiver Arbeitgeber, zumal die Führung der häufigste Grund für Fluktuation sei.

Zur Erinnerung: Ab kommendem Jahr soll das Pflegegeld jährlich mit dem Pensionsanpassungsfaktor steigen. Darauf haben sich die fünf im Nationalrat vertretenen Parteien Ende Juni geeinigt. 2020 ist daher eine Erhöhung um rund zwei Prozent zu erwarten. In der Pflegestufe eins (derzeit 157,30 Euro) bedeutet das eine Anhebung um rund drei Euro pro Monat. In der Pflegestufe sieben (1.688,90 Euro) wird das Pflegegeld um etwa 34 Euro steigen. Die Erhöhung des Pflegegeldes 2020 wird den Bund voraussichtlich rund 54 Millionen Euro kosten. (Claudia Ruff, 7.10.2019)