Die Polizei sichert den Tatort.

Foto: APA/Zoom.Tirol

Vor dem Kitzbüheler Rathaus hängt eine schwarze Fahne. Sie zeugt davon, dass in dem Tiroler Ort am Sonntag fünf Menschen ermordet wurden. Ein 25-Jähriger betrat dort am Vortag eine Polizeidienststelle mit den Worten "Ich habe fünf Menschen getötet" und legte eine Pistole – die mutmaßliche Tatwaffe – sowie ein Messer auf den Tresen. Mittlerweile wurde über ihn Untersuchungshaft verhängt.

Der Mann soll die 19-jährige Nadine H., deren Vater Rupert (59), Mutter Andrea (51) und Bruder Kevin (25) sowie den Freund der jungen Frau erschossen haben. Offenbar war vor etwa zwei Monaten die Beziehung des mutmaßlichen Täters und der 19-Jährigen zu Ende gegangen. Das Motiv wird von Ermittlern im "Bereich einer Zurückweisung nach Beendigung einer Beziehung" vermutet.

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Tatwaffe vermutlich Waffe des Bruders

"Das ist leider symptomatisch", sagt Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt an Frauen. "Die meisten schweren Gewalttaten passieren in der Trennungszeit. Es ist die gefährlichste Zeit für Frauen." Logar spricht aus ihrer eigenen Arbeitserfahrung mit Opfern von männlicher Gewalt. Die Interventionsstelle ist zuständig, wenn die Polizei bei Gewalt in der Familie eingeschalten wurde – wenn etwa eine Anzeige vorliegt oder ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde.

Nachdem sich der mutmaßliche Täter geständig zeigt, konnte der Tathergang laut den Ermittlern bereits ungefähr rekonstruiert werden. Der 25-Jährige und die 19-Jährige waren offenbar mehrere Jahre miteinander liiert, bevor die Beziehung vor kurzem auseinandergegangen war. Am Samstagabend haben sich die beiden laut Ermittlern zufällig in einem Lokal getroffen, wo es zu einem Streit gekommen sein soll. Gegen vier Uhr Früh soll der mutmaßliche Täter zum Wohnort der Familie gefahren sein, wo ihn der Vater abgewiesen haben soll.

Dieser dürfte dann zum Haus seiner Familie gefahren sein und die Waffe seines Bruders, die dieser rechtmäßig besitzt, genommen haben. Warum er darauf Zugriff hatte, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.

Daraufhin soll er wieder zum Haus seiner Ex-Freundin gefahren sein und den Vater erschossen haben, nachdem dieser die Türe öffnete. Infolgedessen soll er den Bruder und die Mutter getötet haben, bevor er sich über einen Balkon Zugang zu dem Raum, in dem sich die 19-Jährige mit ihrem Freund aufhielt, verschaffte. Dann soll er auch die beiden erschossen haben. Der 25-Jährige wohnte während der Beziehung eine Zeitlang in dem Haus und konnte sich dementsprechend einfach dort orientieren.

Videobericht der APA zum Vorfall
DER STANDARD/APA

"Extremes Besitzdenken"

"Es ist ein Mythos, dass die größte Gefahr für Frauen in der dunklen Ecke eines Parks lauert", sagt Logar. "Bei den meisten Taten standen Opfer und Täter in einer Beziehung zueinander." Es sei meist eine Form von extremem Besitzdenken, das hier durchschlage. Täter denken sich: "Wenn du nicht mir gehörst, sollst du niemandem gehören."

Das könne nicht nur die neuen Partner betreffen – wie auch den neuen Freund der 19-Jährigen, ein 24-jähriger Eishockeyspieler –, sondern auch das familiäre oder soziale Umfeld. Es komme nicht selten vor, dass auch Menschen, die eine etwa von Gewalt betroffene Person unterstützen, ebenfalls Opfer von Gewalt werden. "Hier von bloßen sogenannten Familientragödien zu sprechen ist eine fatale Fehleinschätzung", sagt Logar.

Betreuung durch Kriseninterventionsteam

Es sei denkbar, dass die junge Frau schon zuvor in der Beziehung von Gewalt betroffen gewesen sei. Denn eine gewalttätige Haltung entstehe meist nicht spontan, meint die Expertin. Schon wenn man Anklänge von Besitzdenken vernehme, müsse man hellhörig werden: "Jede Form der Gewalt muss ernst genommen werden." Auch vom sozialen Umfeld, denn Betroffene hätten oft das Gefühl, dass sie mit ihrem Problem allein wären.

Die FPÖ teilte am Montag in einer Aussendung mit, dass der 25-Jährige Mitglied der FPÖ war. Im Jahr 2014 war er für zwei Monate Jugendreferent der Stadtparteileitung der FPÖ Kitzbühel. Er wurde mittlerweile ausgeschlossen.

Vor Ort werden Angehörige, Freunde und Bekannte der Familie von einem Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes betreut. Der Einsatz bedeute eine "Riesenherausforderung", sagte Leiter Gerhard Müller zur APA. Beide Familien seien im Ort gut integriert gewesen, weshalb ein großer Kreis an Bekannten und Freunden schwer getroffen sei. Man rechnet damit, noch die ganze Woche im Einsatz zu sein. (Vanessa Gaigg, 7.10.2019)