Kurz nach ihrer Geburt sind Sterne von einer sogenannten zirkumstellaren Scheibe umgeben, einem umfangreichen Ring aus Staub und Gas, in dem auch die Keime der Planeten des Sternsystems heranreifen. Während seines allmählichen Wachstums nimmt der Stern Materie aus dem Ring auf. Bei der Entstehung von Doppelsternsystemen kommen ähnliche Mechanismen zum Tragen, allerdings sieht das ganze dann deutlich komplexer aus, wie auf einer nun präsentierten astronomische Aufnahme erkennbar wird.

Das vom Atacama Large Millimeter/Submillimeter Arrays (ALMA) in den nordchilenischen Anden eingefangene, extrem hoch aufgelöste Bild zeigt zwei zirkumstellare Scheiben, in denen jeweils junge Sterne heranwachsen. Gespeist werden die beiden Scheiben von einem spektakulären brezelförmigen Netzwerk von Gas- und Staubfilamenten. Die Beobachtung dieses bemerkenswerten Phänomens wirft ein neues Licht auf die frühesten Phasen des Lebens von Sternen und hilft Astronomen, die Bedingungen zu ermitteln, unter denen Doppelsterne geboren werden.

Das einzigartige Bild zeigt zwei zirkumstellare Scheiben um zwei Babysterne, die wiederum von verschlungenen Gas- und Staubfilamenten umgeben sind.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Alves et al.

Innere Struktur sichtbar gemacht

Die beiden Sternenjungen wurden im System [BHB2007] 11 entdeckt, dem jüngsten Mitglied eines kleinen Sternhaufens im Barnard 59 Dunkelnebel, einer Wolke aus interstellarem Staub, die wiederum zum rund 650 Lichtjahre entfernten Pfeifennebel gehört. Frühere Beobachtungen dieses Doppelsternsystems zeigten bereits die äußere Struktur, doch die hohe Auflösung von ALMA und ein internationales Astronomenteam unter der Leitung von Wissenschaftern des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Deutschland machten nun auch die innere Struktur dieses Objekts sichtbar.

"Wir sehen zwei kompakte Quellen, die wir als zirkumstellare Scheiben um die beiden jungen Sterne herum interpretieren", erklärt Felipe Alves vom MPE, der die Studie im Fachjournal "Science" leitete. "Die Größe jeder dieser Scheiben ähnelt dem Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem. Die Entfernung zwischen ihnen ist das 28-fache der Entfernung zwischen der Sonne und der Erde", sagt Alves.

Barnard 59, ein dunkler Nebel, der auch als "Mundstück" des Pfeifennebels bekannt ist, beherbergt das neu geborene Sternenpaar.
Foto: ESO

Verschlungene Filamente

Diese beiden zirkumstellaren Scheiben sind von einer größeren Scheibe mit einer Gesamtmasse von etwa 80 Jupitermassen umgeben, die ein komplexes Netz von spiralförmig verteilten Staubstrukturen darstellt, was dem Ganzen das Aussehen einer Brezel verleiht.

"Das ist ein wirklich wichtiges Ergebnis", betont Paola Caselli, Koautorin der Studie. "Wir haben endlich die komplexe Struktur junger Doppelsterne mit ihren Filamenten abgebildet, die sie mit der Scheibe, in der sie geboren wurden, verbinden. Dies liefert wichtige Einschränkungen für die aktuellen Modelle der Sternenentstehung."

Video: Zoom auf die Dunkelwolke Barnard 59
European Southern Observatory (ESO)

Zweistufige Akkretionsprozess

Die Babysterne akkretieren die Masse von der größeren Scheibe in zwei Stufen. Die erste Stufe ist, wenn die Masse in schönen Wirbelschleifen auf die einzelnen zirkumstellaren Scheiben übertragen wird, wie es das neue ALMA-Bild zeigt. Die Datenanalyse ergab auch, dass die weniger massereiche, aber hellere zirkumstellare Scheibe – jene im unteren Teil des Bildes – mehr Material aufnimmt.

In der zweiten Stufe sammeln die Sterne die Masse aus ihren zirkumstellaren Scheiben. "Wir erwarten, dass dieser zweistufige Akkretionsprozess die Dynamik des Doppelsternsystems während der Massenakkretionsphase antreibt", sagt Alves. "Während die gute Übereinstimmung dieser Beobachtungen mit der Theorie bereits sehr vielversprechend ist, müssen wir weitere junge Doppelsterne im Detail untersuchen, um besser zu verstehen, wie Mehrfachsterne entstehen." (red, 9.10.2019)