Jérôme Bels Klassiker "The Show Must Go On" ist zum Fünfziger der jungen Szene Salzburg zu sehen. Nicht zum ersten Mal.

Riccardo Musacchio & Flavio Ianniello

Die Kunst, sich neu zu erfinden, wahre Leidenschaft für Kunstschaffende, ein Programm, das sein Publikum auf immer wieder neue Entdeckungsreisen mitnimmt – das ist typisch für das jährlich in Salzburg stattfindende Sommerszene-Festival. Mit zwei Acts feiert dieses jetzt seinen Fünfziger. Zum Auftakt wird am Dienstag das Erfolgsstück The Show Must Go On des französischen Choreografen Jérôme Bel gezeigt, der heute entschlossen für den Klimaschutz eintritt ("Natur kommt vor Kultur") und in kein Flugzeug mehr einsteigt.

Am Beginn seiner Karriere wurde Bel für seine Stücke ordentlich abgewatscht – langweilig, kein Tanz, verkopft -, wie es weiland der jungen Pina Bausch oder noch früher Mary Wigman passiert ist. The Show Must Go On ist seine Antwort: Mit Ironie führt er vor, wie Musik, Tanz, Licht und Dramaturgie die Emotionen des Publikums wecken.

Unruhige Zeiten kennt auch die Sommerszene. Anfangs wurde sie von den Festspielen als Konkurrent ins Visier genommen, später hat sie sich in einem Akt der Hausbesetzung das ehemalige Stadtkino am Anton-Neumayr-Platz gesichert. Eine Zeitlang war das Szene-Haus gar eine künstlerische Republik.

Durchlüftung seit 1969

Im konservativen Salzburg der Sixties leistete die Szene ab 1969 unter der Leitung von Alfred Winter die Arbeit einer kräftigen Durchlüftung. Alles schien möglich. Größen wie Gidon Kremer, Swjatoslaw Richter und Friedrich Gulda oder Karl Merkatz und Josef Meinrad traten bei dem Festival auf.

Als Michael Stolhofer 1981 als Intendant kam, wurden aus den bunten Auftrittsserien eigene Kunstwerke mit Tanz, Theater, Film und Rockmusik, die durch wechselnde Themen veredelt waren. Dreißig Jahre lang hat Stolhofer die Salzburger gefordert, ihnen provokante Programme untergeschoben und viele Künstler erstmals nach Österreich gebracht.

Als seine Nachfolgerin Angela Glechner 2013 ihr erstes Sommerszene-Programm vorstellte, und zwar mit der umstrittenen, aber extrem feinfühligen Arbeit enfant ("Kind") von Bels Landsmann Boris Charmatz, begann ein anderer Wind zu wehen. Mit Sensibilität, Nachdenklichkeit und nicht zu verwirrendem Sinn für künstlerische Qualitäten hat Glechner auf das Rambazamba der Zehnerjahre reagiert.

Heute, da diese Hip-Hype-Welt des Konsums wankt, ist zu sehen: Die erste Frau an der Spitze der Szene hatte den richtigen Riecher.

Nach The Show Must Go On am Dienstag gibt es am Donnerstag ein "Fest für die Kunst", bei dem eine auf acht Screens verteilte Videoinstallation von Tom Halwa mit Highlights aus einem halben Jahrhundert Festivalgeschichte zu sehen ist. Am 8. und 10. Oktober

(Helmut Ploebst, 8.10.2019)