Greta Thunberg hat mit ihrem "Schulstreik für das Klima" eine weltweite Bewegung ausgelöst. Dafür wird die Schülerin aus Schweden auch angefeindet. Warum, erläutert Autorin und Netzpolitikexpertin Ingrid Brodnig im Gastkommentar.

Es ist erstaunlich, wie viel Hass und Häme ein 16-jähriges Mädchen auf sich ziehen kann. Die Worte "Hass" und "Häme" sind in vielen Fällen wirklich angemessen. Greta Thunberg wird mitunter als "Klimaschlampe", als "geistig krank", als "verstörter Mensch" bezeichnet; User posten, man soll ihr "in den Arsch treten", sie "zum Teufel" jagen – und Schlimmeres. Die Frage ist also: Was macht diese junge Frau so sehr zum Feindbild?

Ich sehe drei zentrale Gründe: Thunberg spricht eines der umkämpftesten Themen unserer Zeit an. In der Debatte um die Klimakrise hat sich in den letzten Jahrzehnten eine energische Szene von Klimakriseleugnern entwickelt. Hier folgt Europa einer amerikanischen Entwicklung, bei der gerade weit rechts stehende Republikaner gegen die Idee der Klimakrise mobilisieren – und Wissenschaftsskepsis befördern. Auch in Österreich und Deutschland sieht man, dass gerade Rechtspopulisten in diesem mittlerweile entstandenen Lager der Klimaskeptiker Wählerstimmen fischen. Das fällt auf, wenn etwa FPÖ-Chef Norbert Hofer vor einer "Zöpferldiktatur" warnt. Auch im Netz wird Thunberg oft vorgeworfen, eine Vertreterin des "Ökofaschismus" oder der "Ökodiktatur" zu sein. Diese Worte sind verroht, aber sie deuten auf einen wichtigen Aspekt hin.

Konflikt um Regulierung

Konfliktsymbol und Angriffsfläche: Greta Thunberg.
Foto: APA/AFP /Yasin Akgul/Mr. Dheo, Pariz One

Die Klimakrise ist kein Problem, das der Einzelne im Alleingang lösen wird. Wenn wir ernstzunehmende Schritte setzen wollen, braucht es wohl neue staatliche Auflagen – sowohl für die Wirtschaft als auch für uns alle. Und das missfällt einigen, die nach weniger (nicht nach mehr) Regulierung für die Wirtschaft rufen. Und offensichtlich missfällt es ebenso manchen Bürgern, die am Status quo festhalten wollen – einem Status quo, der beispielsweise nicht die vollen Klima- und Umweltkosten beim Autofahren einpreist.

Thunberg ist nun weltweit das Symbol geworden für diesen Konflikt. Und als Pars pro Toto dient sie als Angriffsfläche. Statt zu sagen, die führenden Klimaforscher seien dumm, ferngesteuert und Marionetten, heißt es, Thunberg sei dumm, ferngesteuert und eine Marionette. Dass Thunberg so diffamiert wird, liegt wohl auch daran, dass anhand ihrer Person versucht wird, die Idee der Klimakrise als Ganzes zu diffamieren.

Sexistische Herabwürdigung

Zweitens: Thunberg ist eine junge Frau – und das macht es ihr im Internet nicht unbedingt leichter. Viele Erniedrigungen, die sie und die Fridays-for-Future-Bewegung ernten, fallen mit einer harten, sexistischen Tonalität auf. Mal abgesehen von den üblichen Herabwürdigungen wie "Bitch", "Schlampe", "Fotze", wird den Klimaschutzaktivisten am häufigsten vorgeworfen, sie betrieben "Hysterie".

Der Vorwurf, "hysterisch" zu sein, ist eine der üblichsten Methoden, Frauen im politischen Diskurs lächerlich zu machen – dieses Wort dient dazu, ihre Argumente wegzuwischen. Denn wer "hysterisch" ist, sollte nicht ernst genommen werden. Und so wird im Jahr 2019 Thunberg – und viele Aktivistinnen und Aktivisten – mit einem Wort bedacht, das historisch vielfach der Unterdrückung der Stimme von Frauen im politischen Diskurs diente.

Alter als Vorwurf

Drittens: Das Alter und ihr Asperger-Syndrom fachen die Wut zusätzlich an. Betrachten wir kurz ihr Alter genauer – eines der Wörter, mit denen Thunberg oft bedacht wird, ist "Göre". Diesen Begriff verwendet man für Kinder, speziell Mädchen, die sich nicht benehmen können. Hier wird suggeriert, dass es sich für Thunberg nicht gezieme, die Klimakrise zu thematisieren, inbrünstig vor politischer Gleichgültigkeit zu warnen und weltweit Schlagzeilen zu machen.

Im Wort "Göre" schwingt mit, dass es ihr nicht zustehe, in der Gesellschaft so sichtbar in Erscheinung zu treten. Es deutet auf ein durchaus hierarchisches Denken hin, wenn Thunberg ihr Alter vorgeworfen wird – so als hätte die Stimme von Jugendlichen weniger Wert. Das ist insofern absurd, als Teenagern oft vorgeworfen wird, sie seien zu wenig politisch. Und wenn eine von ihnen dann aufbegehrt, eine weltweite Bewegung startet, wird sie als "Göre" verunglimpft.

Umgang mit Hass und Häme

All diese Punkte machen es für Thunberg sicher nicht leicht, wenn sie ihr E-Mail-Postfach oder soziale Medien öffnet. Aber man muss sagen: Thunberg macht vieles richtig im Umgang mit Hass und Häme. Erstens: Sie lässt sich nicht einschüchtern, sondern macht weiter. Zweitens: Sie spricht über diese "Hater", thematisiert das, aber lässt sich nicht zu sehr ablenken vom Thema, das ihr wichtig ist. Drittens: Sie scheint, trotz des erhitzten politischen Klimas, die Fähigkeit zum Lachen zu bewahren. Ein Beispiel: Als US-Präsident Donald Trump spottend über sie schrieb, Thunberg "wirkt wie ein sehr fröhliches junges Mädchen, das sich auf eine glänzende und wundervolle Zukunft freut", und das zynisch meinte, reagierte sie gekonnt. Prompt änderte Thunberg die Selbstbeschreibung auf Twitter und erklärte dort, sie sei "ein sehr glückliches junges Mädchen, das sich auf eine glänzende und wundervolle Zukunft freut".

Man kann sagen: Greta Thunberg hat es nicht leicht – aber sie macht es auch jenen nicht leicht, die sie gern zum Stillschweigen bringen würden. (Ingrid Brodnig, 7.10.2019)

Nach ihrer Rede beim UN-Klimagipfel im September erntete die 16-jährige Greta Thunberg erneut eine Hasswelle. Körpersprache-Experte Stefan Verra, der das Phänomen schon länger verfolgt, hat eine Veränderung in Thunbergs Körpersprache wahrgenommen. Er führt den Widerstand gegen die Schwedin unter anderem darauf zurück.
DER STANDARD